Bericht 19. Sitzung – 15. Mai 2017

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  • Zeuge: Christian Leucht, Polizeibeamter
  • Zeuge: Volker Lange, ehemaliger Referatsleiter beim LfV Sachsen
  • Thema: Raubermittlungen in Zwickau und Chemnitz / Waffenkoffer im Besitz einer LfV-Quelle und dessen Übergabe an das LKA

Die Tresenspringer

Der erste Zeuge, der dem sächsischen Untersuchungsausschuss heute Rede und Antwort steht, ist Christian Leucht. Der Polizeibeamte arbeitet bei der Kriminalpolizei Zwickau. Dort ist er seit 1994 Leiter des Kommissariats Eigentumsdelikte, das seit 2002 auch für Raub- und Erpressungsdelikte zuständig ist.

Leucht berichtet zunächst von den Raubermittlungen und bestätigt vor allem bereits Bekanntes. Vor 2002 sei er lediglich durch Meldungen aus dem Kriminalpolizeilichen Meldedienst über drei Banküberfälle in Chemnitz und einen ersten in Zwickau informiert gewesen. Ab 2002 seien entsprechende Fälle dann in seinem Kommissariat bearbeitet worden. Klar sei aber damals schon gewesen, dass eine Serie vorliege. Leucht verweist auf das charakteristische »Tresenspringen« der Täter, außerdem sei einer von beiden Linkshänder gewesen, was den Verdacht eines Zusammenhangs untermauert habe.

2002 sei der Überfall in Zwickau-Auerbach nach dem gleichen »Modus Operandi« gefolgt, 2006 der Überfall in der Zwickauer Kosmonautenstraße. Hier sei zwar ein Einzeltäter am Werk gewesen, der Überfall »mit massivem Schusswaffeneinsatz« sei aber auch der Serie zugeordnet worden, so Leucht. Sie hätten das an der Waffenhandhabung, der brutalen Tatbegehung und dem verwendeten Fluchtfahrrad festgemacht. Danach sei die Serie in Zwickau abgebrochen und in Stralsund mit zwei Überfällen fortgesetzt worden. Die Zwickauer Ermittler hätten sich damals, nach dem ersten Überfall, mit den Kollegen in Stralsund getroffen; nach dem zweiten Überfall seien die Ermittler aus Mecklenburg-Vorpommern nach Zwickau gekommen. Anhaltspunkte, die Täter zu ergreifen, hätten sich jedoch nicht ergeben.

Regelrecht elektrisierend: Der Überfall 2011 in Arnstadt

Vom Überfall in Arnstadt am 7. September 2011 seien er und seine Kollegen »regelrecht elektrisiert« gewesen, weil die Serie nach langer Pause fortgesetzt wurde. Der Austausch mit den Thüringer Kollegen in Gotha sei eng gewesen: Man habe angesichts der geringen Beute in Arnstadt vermutet, dass bald eine weitere Tat folgen werde, und diese Vermutung den Thüringer Kollegen mitgeteilt. Über den Überfall in Eisenach am 4. November 2011 sei Leucht bereits gegen 10 Uhr am selben Tag informiert worden. Ihm sei von den Gothaer Kollegen berichtet worden, dass in dem Zusammenhang ein Wohnmobil mit »V«-Kennzeichen gesichtet worden sei. Die Zwickauer Beamten hätten daraufhin in der Zulassungsstelle alle Wohnmobile mit Vogtland-Kennzeichen abgefragt, jedoch sei die Zahl zu groß gewesen, um daraus schon Erkenntnisse ziehen zu können, so Leucht. Später sei ihnen das genaue Kennzeichen übermittelt und vom Schusswechsel mit zwei Toten berichtet worden. Sie hätten dann noch den Vermieter des Wohmobils abgeklärt. Kurz vor Dienstschluss habe er, erläutert Leucht, nochmals in den Lagefilm gesehen und darin von den Ereignissen in der Frühlingsstraße erfahren, ohne sie bereits zum Vorgang »Wohnmobil« zuordnen zu können.

Einen Tag nach Eisenach: »Wir sind mit im Boot.«

Am Samstag sei diese Verbindung deutlich geworden, so Leucht weiter. Zeugen hätten berichtetet, das Wohnmobil habe vor dem Überfall in der Frühlingsstraße gestanden. Für den Kommissariatsleiter war klar: »Wir sind mit im Boot«. Er habe in den nächsten Tagen in der Ermittlungsgruppe »Frühling« mitgearbeitet und die Überführung Beate Zschäpes von Jena nach Zwickau begleitet. Weiterhin sei er bei der Durchsuchung einer Autovermietung in Chemnitz involviert gewesen und bei der Sicherstellung eines Wohnmobils im Auftrag des LKA Baden-Württemberg, das damals mit Polizeibegleitung nach Stuttgart überstellt worden sei.

Das Thema NSU und die Raubüberfälle seien »Thema in der ganzen KPI« gewesen, aber eine konkrete Auswertung habe es »eher weniger« gegeben. Leucht erinnert sich nur an ein Treffen auf Leitungsebene »unter der Überschrift NSU«. In seiner Wahrnehmung seinen die Raubüberfälle ausermittelt gewesen, bestätigt er auf Nachfrage. Zwar habe eine von ihm beauftragte Fallanalyse empfohlen, die Raubserie in ein Sammelverfahren zu überführen und zentral zu bearbeiten, er habe aber »keinen Sinn darin gesehen«, weil das »unterm Strich« nichts gebracht hätte. Einerseits weil Ermittlungsansätze gefehlt hätten, »trotz akribischer Ermittlungen«, andererseits weil die Zusammenarbeit zwischen den Sachbearbeitern in Chemnitz und Zwickau gut und eng gewesen sei. Ansonsten habe die Fallanalyse keine Ergebnisse erbracht, die Straftaten seien für ein »Profiling« auch nicht geeignet gewesen, erklärt der Zeuge.

Die Befragung wird nach einer Stunde beendet.

Volker Lange: Ein ehemaliger VS-Referatsleiter im Verhör

Der zweite Zeuge in der heutigen Sitzung kennt das Prozedere im Untersuchungsausschuss bereits: Volker Lange war in der vorhergehenden Legislatur vor dem damaligen 3. Untersuchungsausschuss »Neonazistische Terrornetzwerke in Sachsen« geladen. Auch damals ging es um seine Funktion als Referatsleiter beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen in der Zeit vom 15. Dezember 1998 bis zum 30. Juni 2002. Mit der Abteilung 2 war er für das Themengebiet »Rechtsextremismus« zuständig und aktiv an den Suchmaßnahmen nach dem untergetauchten Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe beteiligt. Heute leitet er die Kriminalpolizei der Polizeidirektion Dresden.

Lange berichtet, dass ihm der Fall dreier untergetauchter Nazis zur Zeit seines Dienstantritts nicht bekannt gewesen und bei der Amtsübergabe auch nicht als »herausragend« benannt worden sei. Er habe erst im Juni 1999 aus einem Abschlussbericht des LfV Thüringen zum Fall „Drilling“ erfahren, dass die Untergetauchten in Chemnitz oder Norddeutschland vermutet werden. Grundlage der Vermutung sei ein abgehörtes Telefonat Uwe Böhnhardts in Chemnitz gewesen.

Der CDU-Abgeordneten Patrick Schreiber thematisiert die Quellenmeldung vom 17. September 1998. Damals habe Carsten Szczepanski, Quelle »Piatto« des LfV Brandenburg, gemeldet, dass drei »sächsische Skinheads« im Untergrund seien, um sich der Strafverfolgung zu entziehen. Außerdem habe er gemeldet, dass sie Banküberfälle zur Finanzierung beabsichtigen und über Blood & Honour-Strukturen aus Chemnitz Waffen und falsche Papiere besorgt werden sollten. Lange antwortet auf die Frage, ob ihm der Vorgang bekannt sei, dass er die Meldung heute kenne. Er fragt sich, ob er sie schon damals gekannt habe – ausschließen könne er es nicht. Im vergangenen UA hatte Lange es rundweg ausgeschlossen, die Piatto-Informationen gekannt zu haben.

Zielfahnder Wunderlich: Unzufrieden mit dem LfV Thüringen

1999 sei Lange dann mit dem Thüringer Zielfahnder Wunderlich in Kontakt gekommen. Dieser habe im Rahmen eines Treffens im LfV Sachsen um »allgemeine Unterstützung« bei der Suche nach den drei Untergetauchten gebeten. Hintergrund des Treffens sei gewesen, fährt der Zeuge fort, dass der Zielfahnder mit der Zusammenarbeit mit dem LfV Thüringen »nicht zufrieden« gewesen sei. Er habe im Gespräch geäußert, dass er kein Vertrauen habe. Das LfV Sachsen habe jedoch bis zum Februar 2000 »zunächst keine Veranlassung gehabt einzugreifen«, berichtet Lange. Die Anfrage aus Thüringen sei nicht konkret gewesen, außerdem habe man auf ein Startsignal gewartet. Ob Wunderlich Unterlagen mitgebracht habe, daran könne sich der Zeuge nicht mehr erinnern. Dass das Trio sich in Chemnitz aufhalte, habe Wunderlich nicht gesagt. Aus der früheren Vernehmung Langes vor dem Untersuchungsausschuss geht jedoch hervor, dass er am selben Tag, als ihn der Zielfahnder besuchte, auch den Abschlussbericht des TLfV zum Fall „Drilling“ las.

Der Leiter der Beschaffung sei ebenfalls am Gespräch mit dem Zielfahnder beteiligt gewesen, außerdem ein/e Sachbearbeiter/in, deren Namen dürfe er öffentlich jedoch nicht nennen. Nach dem Treffen sei es dann »ständige Aufgabe« gewesen, nach den Untergetauchten »Ausschau« zu halten. Es habe aber keine konkrete, aktive Aufgabe gegeben, da Fahndungsmaßnahmen der Polizei gelaufen seien. Außerdem habe man im fraglichen Zeitraum »eine Vielzahl von Beobachtungsszenen« gehabt, die Aufmerksamkeit erfordert hätten. Immer wieder erwähnt der Zeuge die „Skinheads Sächsische Schweiz“, die man intensiv beobachtet habe.

Operation »Terzett«: Ohne Erkenntnisse

Im Februar 2000 hätte dann der sächsische Nationalsozialist Andreas Graupner auf einer NPD-Veranstaltung in Thüringen verlauten lassen, dass es »den Dreien« gut gehe. Diese Aussage habe auf den Aufenthaltsort Chemnitz hingewiesen und ebenso auf Jan Werner, erklärt Lange. In der Folge habe man die Operation »Terzett« gestartet, die vor allem Jan Werner und Andreas Graupner zum Ziel gehabt haben soll. Was der genaue Anlass für die Operation gewesen sei, könne Lange nicht erinnern. Gefragt, wie der Chemnitz-Fokus genau entstanden sei, antwortet der Zeuge nur, dass ihm dazu leider nichts einfalle. Man habe im Chemnitzer Blood & Honour-Umfeld Observationsmaßnahmen eingeleitet. Dazu habe man sich auch mit dem LfV Thüringen getroffen und außerdem das LKA Sachsen informiert und einbezogen.

Die technischen Maßnahmen und Observationen seien jedoch »ohne relevante Erkenntnisse« geblieben, so Lange. Später sei ihm bekannt geworden, dass das LKA Thüringen eine weibliche Person aus Thüringen in Chemnitz observiert habe, noch später habe er vom LfV Thüringen erfahren, dass es Bilder von Mai 2000 aus Chemnitz gäbe, auf denen eine männliche Person zu sehen sei, die Uwe Böhnhardt »ähnlich« sehe.

Mandy Struck im Fokus

Vom September bis Oktober 2000 habe das LfV Sachsen eine konspirative Wohnung angemietet, um den Chemnitzer Wohnsitz von Mandy Struck an der Bernhardstraße zu observieren. Die Videoauswertung habe ergeben, dass eine männliche und eine weibliche Person an die Wohnung herangetreten, dann aber weggegangen seien. Diese Information habe man an das LKA Thüringen weitergegeben. Lange berichtet, dass das LKA Sachsen zudem eine weitere Videoüberwachung installiert habe.

Am 23. Oktober 2000 habe dann das LKA Thüringen die Wohnung von Struck aufgesucht und sich dort »umgeschaut«. Struck sei auch mit dem Foto der Person konfrontiert worden, die Böhnhardt ähnlich sehe. Sie habe gesagt, es handele sich um einen Freund. Dessen Wohnung sei deswegen ebenfalls auf- und abgesucht worden. Das LfV Sachsen habe nach der Wohnungsdurchsuchung entschieden, die Observation zu beenden, da Struck nun wisse, dass sie im Fokus von Ermittlungen steht und die Maßnahme als hinfällig betrachtet worden sei. Sie habe außerdem 2001 abgestritten, noch in der Szene aktiv zu sein, berichtet der Zeuge. Nach dem Abbruch der Observation der Wohnung Strucks seien weitere Fahndungsmaßnahmen ergriffen worden. Diese hätten sich gegen Blood & Honour Chemnitz gerichtet und weitere Oberservationen und die Suche nach Quellen sowie polizeiliche Ermittlungen umfasst. Unter anderem habe das LfV einen Vorgang zu Mandy Struck eingeleitet, „weil sie sich nicht unkooperativ zeigte“ bei der Ansprache durch Polizei. Es sei dann zu einem „Informationsgespräch“ mit Struck gekommen, in dem sie aber kein Wissen offenbarte und eine Zusammenarbeit ablehnte, angeblich, da sie sich aus der Szene zu lösen versuche.

Der Waffenkoffer und die LfV-Quelle Mario Ansorge

Die stellvertretende Vorsitzende des Untersuchungsausschuss Kerstin Köditz eröffnet mit ihren Fragen ein weiteres Thema. Sie hält dem Zeugen ein Aktenzitat vor, in dem es um eine LfV-Quelle geht, die wegen Waffenbesitzes vor dem Amtsgericht Görlitz verurteilt worden sei. Lange erwidert daraufhin, dass er den Fall kenne, aber nicht den Zusammenhang zum Auftrag des Untersuchungsauschusses erkenne. Köditz verweist auf den Einsetzungbeschluss, der auf neonazistische Terrornetzwerke in Sachsen zielt: Selbstverständlich seien dann V-Personen des LfV von Interesse, denen offenkundig Waffenbesitz nachgewiesen worden sei.

Lange will »allgemein formulieren«. Er erklärt, dass es einen »Rechtsextremen« aus Görlitz gegeben habe, der den Besitz von Waffen zugegeben habe. Dieser Rechtsextreme sei zugleich »Quelle unseres Hauses« gewesen, so Lange weiter. Da man diese Situation »so nicht belassen« könne, habe Lange die Waffen »persönlich eingeholt« und dann dem LKA Sachsen übergeben. Lange behauptet, man habe die Quelle »geopfert«, außerdem habe sie »explizit nicht in der Nähe zu rechtsextremistischen Terrororganisationen gehandelt«.

Im Waffenkoffer: ein Ceska-Fabrikat

Köditz hält dem Zeugen die Ermittlungsakte und das Übergabeprotokoll vor. Daraus soll hervorgehen, dass bei der Übergabe der Waffen eine weitere, namentlich nicht genannte Person involviert gewesen sei. Außerdem, dass unter den Waffen ein Ceska-Fabrikat gewesen sein soll. Lange kann sich daran aber nicht mehr erinnern. Auf den Vorhalt Köditz‘, dass das Übergabeprotokoll nicht von Lange unterschrieben worden sei, sagt der Zeuge, dass das »keinen Sinn« mache. Lange bestätigt jedoch, dass der Vorhalt richtig ist, dass zur Herkunft der Waffen nichts übermittelt worden sei. Lange sagt, es habe vom LKA aus »keine Anfrage« gegeben, woher diese Waffen stammen.

Köditz hält dem Zeugen vor, dass die Waffen von Mario Ansorge stammen, dessen Tätigkeit als V-Person mittlerweile öffentlich ist. An eine mögliche Absprache darüber, dass dem LKA nicht bekannt gemacht wird, woher die Waffen stammen, kann sich Lange nicht erinnern. In der LKA-Ermittlungsakte, so Köditz, soll aber stehen, dass der Waffenkoffer »auf unbekannten Weg zum Dezernat« gelangt sei. Lange antwortet, dass er dazu nichts sagen könne. Die DNA-Ergebnisse zu den Waffen kenne er nicht. Dass es an den Waffen DNA-Spuren zu mehreren Tatorten außerhalb Deutschlands gegeben habe, davon habe er nichts gewußt.

Überprüfung zur Herkunft der Waffen: »Keine Veranlassung«

Direkt gefragt, woher die Waffen stammen, versucht Lange auszuweichen: Er sei darauf nicht vorbereitet. Aber nach seiner Erinnerung habe es »einen Verfassungsschutz« erhebliche Überwindung gekostet, die Waffen zu übergeben und später Informationen dazu nachzureichen. Lange wird gefragt, ob fehlende Angaben zur Herkunft der Waffen so verstanden werden müssen, dass die entsprechende Angabe verweigert wurde. Der ehemalige Referatsleiter kann sich dazu nicht erinnern, er meint aber, dass die Angabe nicht verweigert wurde. Es sei vielmehr Aufgabe der Polizei gewesen, die Herkunft der Waffen zu klären. Ob er nicht gefragt habe, woher die LfV-Quelle die Waffen habe, will die Abgeordnete wissen. Lange jedoch blockt ab, er könne sich daran nicht erinnern. »Das sei doch die Hauptaufgabe«, insistiert später die SPD-Abgeordnete Sabine Friedel. Nach der Übergabe des Waffenkoffers habe »keine Veranlassung« bestanden, das nochmals zu prüfen, erklärt der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter. Die stellvertretende Ausschussvorsitzende Köditz konfrontiert den Zeugen mit einer richterlichen Vernehmung Ansorges. Er habe dort gesagt, er sei nie in den Besitz der Waffen gekommen, hätte er Herrn Lange nicht gekannt. Aber auch das bringt keine Klärung. Lange verweist nur darauf, dass er Mario Ansorge nicht selbst geführt habe.

Die Staatsregierung droht mit Aktenentzug

Mitten in der Befragung schaltet sich der Beauftragte der Staatsregierung Falk ein. Er moniert, dass ein »einzelner Waffenbesitz« nicht gleich eine terroristische Straftat bedeute, er könne insoweit keinen Bezug zum Untersuchungsgegenstand des Ausschusses erkennen. Nach einer kurzer juristischen Beratung erklärt der Ausschussvorsitzende Lars Rohwer jedoch, dass die vorgehaltenen Akten von der Staatsregierung aufgrund des Einsetzungbeschlusses zur Verfügung gestellt worden seien. Der Beauftragte quittiert das mit einer impliziten Drohung: Die Staatsregierung sei bisher »sehr, sehr freundlich« gewesen und habe die Akten ausgehändigt in der Annahme, dass der Untersuchungsausschuss selbst sicherstellt, dass sich die Beweisbeschlüsse im Rahmen des Untersuchungsauftrages bewegen, also rechtmäßig sind. Dass die Staatsregierung die Beweisbeschlüsse erfüllt, bedeute im Umkehrschluss nicht, dass man das auch so sehe. Und da man Zweifel an der Rechtmäßigkeit habe, müsse man zukünftig eben »auf Konfrontation« gehen und die Aushändigung von Akten überdenken, schließt Falk seine Ausführungen.

Neu ist diese Konfliktlinie nicht. Bereits im Vorgängeruntersuchungsausschuss traten Differenzen bei der Frage auf, ob ein »NSU-Bezug« gegeben sein müsse und wie dieser zu bemessen sei. Insbesondere das Staatsministerium des Inneren vertrat dabei eine sehr enge Auslegung. Sollte es die Staatsregierung tatsächlich auf eine Konfrontation ankommen lassen, wären juristische Auseinandersetzungen vorprogrammiert.

Zwei Stunden Polizist, um die Quelle »rauszuhalten«

Nach diesem Intermezzo wird die Befragung fortgeführt. Lange gibt an, dass ein Querverbindung zwischen dem Waffenkoffer und der Operation Terzett nicht überprüft worden sei. Eine Verbindung zwischen Mario Ansorge und dem NSU-Unterstützer Thomas Starke sei ihm nicht erinnerlich, gleiches gelte für eine Verbindung Ansorges zum LKA Berlin und dem Landser-Verfahren. Die Namen René Nierling und Nick Greger könne er auch nicht in Verbindung mit dem Waffenkoffer bringen.

Der Zeuge wird damit konfrontiert, dass er in der letzten Legislatur ausgesagt habe, während der Übergabe der Waffen kurzzeitig für das LKA tätig gewesen sei. Lange bestätigt, dass er sich damals auf den Fall Ansorge bezogen hatte. Er habe damals auch gesagt, wird ihm vorgehalten, dass Quellenschutz nachrangig sei, wenn es »um Leben und Tod« gehe. Lange erklärt nunmehr, er habe das damals »abstrakt« gemeint. Er erklärt, dass er für die Übergabe des Waffenkoffers tatsächlich für zwei Stunden für das LKA gearbeitet habe. Diese Verpflichtung sei »mehr symbolisch zu verstehen«, sagt er. Als LfV-Mitarbeiter hätte er die Waffen nicht an sich nehmen können, ohne sich strafbar zu machen. Schriftlich habe es zu dieser temporären Verpflichtung jedoch nichts gegeben. Das ist bemerkenswert: Denn ohne diesen Nachweis hätte Lange selbst wegen unerlaubten Waffenbesitzes verfolgt werden müssen. Sollten solche Ermittlungen unterlassen worden seien, steht der Verdacht einer Strafvereitelung im Raum, denn Lange war im Ermittlungsverfahren gegen Ansorge Zeuge.

Auf die Frage des CDU-Abgeordneten Ittershagen, warum das LKA die Waffen nicht selbst übernommen habe, behauptet Lange, dass er »die genauen Überlegungen« nicht wiedergeben könne. Er räumt aber ein, dass der Gedanke zunächst gewesen sei: »Vielleicht können wir die Quelle raushalten.« Das habe sich dann aber »erledigt« – wieso, bleibt jedoch offen.

Nach etwa anderthalb Stunden Befragung entlässt der Ausschuss den Zeugen und beendet die öffentliche Sitzung.

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