Bericht 14. Sitzung – 26. September 2016

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  • Thema: Ermittlungen zum Brand in der Zwickauer Frühlingsstraße 26
  • Zeugin Dr. Pia Findeiß, Oberbürgermeisterin von Zwickau

In der heutigen Sitzung wird die Zwickauer Oberbürgermeisterin Pia Findeiß (SPD) zum Geschehen am und nach dem 4.11.2011 in der Frühlingsstraße 26 befragt.

Probleme, wie in jeder Stadt?

Findeiß, begleitet durch Rechtsanwalt Butz Peters, leitet mit einem Eingangsstatement die Befragung ein. Sie erklärt, dass im Hinblick auf den bevorstehenden Jahrestag der Selbstenttarnung des NSU mit denselben Fragen in den Medien zu rechnen sei: ob Zwickau ein Problem mit Rechtsextremismus habe. Findeiß gibt zu Protokoll, Zwickau habe „Probleme mit rechtsradikalen Erscheinungen wie jede andere Stadt in Sachsen, Ostdeutschland, Deutschland“ gehabt und habe diese immer noch. „Das nehmen wir ernst“, so Findeiß, aber hier hätten „alle noch viel zu tun“.

Am 4.11.2011 sei sie nach einer Sitzung der Wasserwerke zu Hause gewesen, als sie um 15:30 Uhr per Telefon von der Leitstelle über die Explosion in der Frühlingsstraße 26 informiert worden sei. Daraufhin sei sie sofort zum Ort des Geschehens aufgebrochen. Bei größeren Schadensereignissen in der Stadt werde die Diensthabende BürgermeisterIn immer informiert. Ähnliche Situationen habe sie bereits mehrfach erlebt, so Findeiß weiter.

Der Brandort sei bei ihrem Eintreffen abgesperrt gewesen, Berufsfeuerwehr und Freiwillige Feuerwehr seien vor Ort gewesen. Gesehen habe sie außerdem viele Schaulustige, eventuell auch erste Pressevertreter. Sie sei von Branddirektor Heinrich Günnel über die Lage informiert worden. Ihr sei mitgeteilt worden, dass es sich nicht um eine Gasexplosion gehandelt habe. Sie habe noch an einer Lagebesprechung mit Einsatzleitung, Feuerwehr, Polizei und Energiversorgung um 16:30 Uhr teilgenommen und sich anschließend zu einer Weiterbildung nach Glauchau begeben.

Gegen 21 Uhr, so die Oberbürgermeisterin weiter, sei sie nochmal am Brandort gewesen. Es habe erneut eine Lagebesprechung gegeben. Dort wurde berichtet, dass es sich vermutlich um eine gezielt herbeigeführte Explosion gehandelt habe, außerdem wurden die anstehenden Baggerarbeiten angesprochen. Dafür sei ein Statiker, Herr F., „ein Freund von mir“, hinzugezogen worden, berichtet Findeiß. Vorgeschlagen habe das die Feuerwehr. Weil dadurch Kosten anfallen, war eine Rücksprache mit der Stadtverwaltung nötig. Dort sei der Bauordnungsamtsleiter nicht erreichbar gewesen, weswegen der damalige und inzwischen verstorbene Baubürgermeister Rainer Dietrich den Statiker beauftragt habe. Am Brandort habe Findeiß noch mit einer Familie gesprochen, die sie bezüglich einer Unterkunft für ihre vom Brand betroffene Tante angesprochen habe. Aus den Nachrichten habe Findeiß dann auch vom Banküberfall in Eisenach erfahren. Am 7.11 2011 habe sie Polizeipräsident Georgie in einem Telefonat über den Zusammenhang beider Tatorte informiert. Außerdem habe er berichtet, dass den Personen noch weitere Verbrechen zugeordnet werden können. Auf Nachfrage erklärte Findeiß, Georgie habe „Diebstähle und so etwas“ erwähnt.

Am 13.11.2011 habe Findeiß in einer Rede anlässlich des Volkstrauertages erstmals die Morde des NSU thematisiert. Die Informationen dafür habe sie der Presse entnommen. Am darauffolgenden Tag seien nach und nach Medienvertreter in Zwickau eingetroffen. Wiederum einen Tag später habe sie eine kurzes Gespräch mit Polizeipräsident Georgie geführt. Er habe ihr die gesicherten Garagen gezeigt, in denen die Beweismittel asserviert wurden. Sie habe von außen einen Blick hineingeworfen, die Menschen in der Garage hätten ein »Ganzkörperkondom« getragen, so Findeiß salopp.

Findeiß berichtet weiter, dass es am 25.11.2011 habe es eine Kundgebung unter dem Titel „Zwickauer Appell“ gegeben, die durch den DGB organisiert worden sei. Dort habe Innenminister Markus Ulbig als Vertreter der Staatsregierung gesprochen. Eingeladen war ursprünglich Ministerpräsident Stanislaw Tillich.

»Offizielle Informationen habe ich nie erhalten«

Auf eine Nachfrage zu V-Leuten des Verfassungsschutzes erklärt Findeiß, dass es keine Verbindung zwischen Staatsschutz und der kommunalen Ebene gebe. Herrn Marschner kenne sie aber schon, nicht persönlich, aber weil er aktiv in Zwickau rechte Ideologie unterstützt und einen Laden für ein rechtes Klientel betrieben habe. Darüberhinaus sei ihr durch das Ordnungsamt bekannt, dass Marschner in einem Boxverein Mitglied gewesen sei. Findeiß erklärt, dass sie es fragwürdig findet, dass Marschner weder vom sächsischen Untersuchungsausschuss noch im Prozess am OVG in München gehört werde. Der Ausschussvorsitzende Rohwer antwortet daraufhin, dass er sich schon vorstellen könne, dass sich der Ausschuss zu einer Befragung „durchringen“ könnte, jedoch scheitere die Befragung an der Nichtauslieferung Marschners. Ob Marschner in Zwickau gemeldet sei, wisse Findeiß nicht, wolle das aber überprüfen lassen, ebenso ob weitere Firmen Marschners in der Stadtverwaltung bekannt seien. Die Frage, ob sie mit dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Kontakt steht, verneint Findeiß: „Wenn Sie so konkret fragen, offizielle Informationen habe ich nie erhalten.“ Sie habe noch nie Kontakt mit dem LfV gehabt und auch keine offiziellen Informationen zum Thema NSU erhalten. Das „Freie Netz Zwickau“ und die „Nationalen Sozialisten Zwickau“ kenne sie nur aus den Medien und den Recherchen des städtischen Pressebüros. Der Vertreter der Staatsregierung nimmt die Aussage zum Anlass eine Nachfrage zu stellen – ein Novum im Untersuchungsausschuss – und hält Findeiß vor, dass sie doch erst im April an einer LfV-Veranstaltung teilgenommen habe. Findeiß bleibt aber dabei, dass sie mit dem LfV keine Informationen austauscht und lediglich, auch aufgrund ihrer persönlichen Bedrohungslage, mit der „operativen Einsatzgruppe“ (wohl: OAZ) zusammenarbeitet.

Eine Frage der stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Kerstin Köditz zielt auf ein Gespräch zwischen Oberbürgermeisterin und den Organisatoren der »Zwickauer Spaziergänge« im Dezember 2015. Das löst kurz Unruhe aus. Der AfD-Abgeordnete Carsten Hütter unterbricht die Frage bevor sie zu Ende gestellt wurde und behauptet sie habe nichts mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun. Nach kurzem Wortwechsel und Verweis auf den Einsetzungsbeschluss des Untersuchungsausschusses stellt Köditz die Frage dennoch: sie fragt, ob Findeiß bekannt gewesen sei, dass beim Gespräch die mutmaßlichen Neonazis Tony G. und Lars F. waren, die auch in den Ermittlungen zum NSU auftauchen? Findeiß verneint. Hintergrund des Treffens sei ihre Einladung zu diesen Spaziergängen gewesen, das habe sie aber nicht gewollt. Die vier Gäste hätten sich nicht vorgestellt. Ihr sei das damals und auch bis heute nicht bekannt gewesen.

Aufarbeitung in Zwickau?

Findeiß wird auch zum Abriß der Frühlingsstraße befragt. Sie berichtet, dass Polizeipräsident Georgie beim Treffen am 13.11.2011 empfohlen habe das Gebäude Frühlingsstraße 26 abreißen zu lassen, damit keine Kultstätte für Rechtsextremisten entstehe. Seine Meinung habe Findeiß ersteinmal „mitgenommen„.

Sie eklärt, dass sie auch später keine Informationen bekommen habe, dass die Frühlingsstraße zum Pilgerort geworden sei. Der Abriß sei aber tatsächlich durch den Bauausschuss der Stadt Zwickau beschlossen worden. Zuvor habe es laut Findeiß Beratungen mit den Bürgermeistern und den Stadtratsfraktionen gegeben. Hier habe es unterschiedliche Meinungen gegeben, eine Seite sah das Image der Stadt beschädigt und wollte nicht weiter über das Thema reden, wiederum andere hätten einen Gedenkstein gefordert. Letztlich seien „alle“ zum Entschluss gekommen das Gebäude abzureißen. Das sei Ergebnis der „demokratischen Auseinandersetzung mit Parteien und dem Bündnis für Demokratie und Toleranz“, so Findeiß. Die Kosten für den Kauf des Gebäudes von 200.000 Euro habe die Städtische Wohnungsgesellschaft getragen, von 65.000 Euro Abrisskosten wurden 58.500 € aus einem Landesprogramm gedeckt, den Rest habe die Stadt Zwickau übernommen. Findeiß erwähnt zudem einen vagen Plan, die städtische NS-Gedenkstätte zu erweitern und dort einen Gedenkort für die NSU-Opfer zu errichten. Dieses Thema sei „noch nicht vom Tisch“, so Findeiß. Sie berichtet, dass Anfragen an die Bundesregierung und die sächsische Staatsregierung in Zwickau ein Dokumentationszentrum zu errichten, abgelehnt worden seien. Jedoch unterstütze das Land bei verschiedenen Veranstaltungen, außerdem werde das Bündnis für Demokratie und Toleranz gefördert. Um diese Förderung müsse jedoch jedes Jahrs aufs neue »gekämpft« werden, bemängelt Findeiß, da müsse sich das Bündnis wie alle anderen Initiativen auch »anstellen«.

Findeiß räumt auch ein, dass man auf die Idee, den in Zwickau angeschossenen Sparkasse-Azbui als Opfer rechter Gewalt anzusehen, „noch nie“ gekommen sei. Die Zwickauer Oberbürgermeisterin erklärt auf eine Nachfrage, dass die Bezeichnung NSU am 14.11.2011 noch niemanden bekannt gewesen sei. »Sehr gestört« habe sie aber die Bezeichnung »Zwickauer Terrorzelle«, so Findeiß weiter. Über den Städtetag sei man ans Bundeskanzleramt herangetreten, damit der Begriff nicht genutzt werde. Findeiß schätzt das heute »schon als Erfolg ein, wenn man das so nennen kann«. Schließlich solle die Stadt nicht stigmatisiert werden.

Die Oberbürgermeisterin berichtet, dass es bisher keine Veranlassung gab, alle Meldeangaben dahingehend zu überprüfen, ob Leute, die in Zwickau wohnen, tatsächlich gemeldet sind. „Überwacht wird das nicht. Es gab bis ’89 den sogenannten Abschnittsbevollmächtigten“, erklärt Findeiß, „wenn es heute konkrete Hinweise gibt, dann schaut die Behörde hin.“ Auf die Frage, welche Maßnahmen getroffen wurden, um zu verhindern, dass falsche Personaldokumente ausgestellt werden, muss sie allerdings passen: das gehöre nicht zu ihrem Geschäftsfeld, denn das Einwohnermeldeamt ist beim Finanzbürgermeister angesiedelt. Sie habe keine Schulung von Mitarbeitern veranlasst und habe keine Kenntnis, ob der zuständige Bürgermeister dies getan hat. »Missbrauch sei nicht auszuschließen«, so Findeiß.

Die Befragung endet nach knapp zwei Stunden.

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