Bericht 5. Sitzung – 5. Oktober 2015

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  •  Thema: Ermittlungen zum Brand in der Zwickauer Frühlingsstraße 26
  •  Zeuge Hendrik Düniß, Polizeibeamter
  •  Zeuge Jörn Naumann, Polizeibeamter

In der fünften Sitzung des Untersuchungsausschusses standen die Ermittlungen um die Zwickauer Frühlingsstraße 26, den Wohnort von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe im Mittelpunkt. Geladen ist der Polizist Hendrik Düniß. Er war damals bei der Kriminalpolizei tätig und verantwortlich für erste Ermittlungstätigkeiten zum Hintergrund des Brandes. Als zweites wird der damalige Polizeianwärter Jörn Naumann angehört. Er fand die Ceska-Pistole, die der NSU zur Tötung von neun Menschen nutzte, im Brandschutt der Frühlingsstraße.

Der erste Zeuge, Kriminalobermeister Hendrik Düniß, war zum Zeitpunkt des Brandes im Kriminaldauerdienst der Polizeidirektion Zwickau beschäftigt, insgesamt ist er seit 20 Jahren bei der Polizei tätig. Er berichtet, dass er am 4. November 2011 seine Nachtschicht um 18 Uhr angetreten habe. Nach einem kurzen Lageüberblick mit dem Hinweis auf die Explosion in der Frühlingsstraße 26, habe er gemeinsam mit seinem Kollege Alexander F. gegen 20 Uhr den ersten Auftrag vom Dienstgruppenführer Siegfried Müller erhalten. Sie sollten Beatrix J. auf der Polenzstraße 2 in Zwickau aufsuchen, um den Verbleib einer »abgängigen Person« aufzuklären. Auf J. sei ein Mobiltelefon mit der Nummer 0162 – 700 05 87 registriert, das wiederum der in der Frühlingsstraße vermissten »Susanne Dienelt« (eine Tarnidentität von Beate Zschäpe) zugeordnet worden sei. Die Herkunft dieser Information habe KOM Düniß erst später erfahren, sie stamme vom Hausmeister der Frühlingsstraße 26 Lutz W.

Düniß und sein Kollege haben sich nach einem Zwischenstopp in der Frühlingsstraße auf den Weg in die Polenzstraße 2 gemacht. Dort hätten sie Beatrix J. nach Susanne Dienelt und dem Mobiltelefon befragt. J. habe erklärt, dass »Susann« eine ehemalige Hausbewohnerin sei. Weiter habe sie gesagt, dass sich »Susann« einen Prepaidvertrag von ihr erbeten habe. Daher sei das Telefon auf J.s Namen registriert. Beatrix J. habe berichtet, dass »Susann« mit ihrem Bruder in einer WG in der Polenzstraße gelebt habe und nach dem Umzug in die Frühlingsstraße ab und zu zu Besuch gekommen sei, zuletzt am 2. November 2011. KOM Düniß habe J. gebeten, die fragliche Telefonnummer anzurufen. J. schien dem Wunsch nachzukommen, sie habe auf ihrem Telefon gewählt. Nach dem Telefonat habe sie berichtet, dass eine männliche Person ans Telefon gegangen sei, die sich als »PK« vorgestellt habe. Da sie so eine Person nicht kenne, habe J. gleich wieder aufgelegt. Düniß erklärt, dass er und sein Kollege das Gespräch nicht direkt mitgehört hätten. Sie hätten diese Erklärung akzeptiert und anschließend die Befragung beendet.

Im Auto vor dem Haus, so KOM Düniß auf Nachfrage, habe er zum ersten Mal an diesem Abend gegen 21 Uhr mit dem Diensthandy des Kriminaldauerdienstes Zwickau die fragliche Handynummer gewählt. Jedoch habe sich nur die Mailbox gemeldet. Die Erkenntnisse seien dem Dienstgruppenführer übermittelt worden und sie hätten um eine weitere Ortung des Mobiltelefons gebeten, ob dies umgesetzt worden sei, entziehe sich Düniß‘ Kenntnis. Auch auf Nachfrage erklärte Düniß, dass er erst später durch den BKA-Beamten Herr Leibnitz informiert worden sei, dass auf dem Mobiltelefon kein Anruf von Beatrix J. registriert sei, lediglich der Anruf vom Diensthandy liesse sich nachvollziehen. Direkt vor Ort habe er keinen Anhaltspunkt für eine Täuschung gehabt.

Nach der Befragung von J. hätten sie die Polenzstraße verlassen und sich dem nächsten Auftrag gewidmet. Sie sollten den Wohnmobilvermieter Mario K. aufsuchen, so Düniß, weil eines seiner Wohnmobile in Eisenach in Brand gesetzt worden sei. Sie hätten K. Lichtbilder vorlegen sollen, die 2008 im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung von Holger Gerlach gefertigt worden seien. Unter seinem Namen sei das Wohnmobil angemietet worden. Um 22 Uhr sei die Rücksprache mit Mario K. erfolgt, er habe jedoch die Person nicht als den Mieter des Wohnmobils wiedererkannt. Düniß und sein Kollege hätten das dem Dienstgruppenführer gemeldet. Auf die Frage, ob ihm zu diesem Zeitpunkt bereits der Zusammenhang zwischen dem Wohnmobil und der Frühlingsstraße bekannt war, antwortete Düniß, dass es Aufgabe des Dienstgruppenführers sei Informationen zusammenzuführen. Er selbst sei nur ein »kleiner Mitarbeiter«, eine Mischung verschiedener Aufträge sei aber »ganz normal«.

Düniß berichtet, dass sie um 0:00 Uhr den Auftrag erhalten hätten, nach Johanngeorgenstadt zu fahren. Sie hätten dort Matthias Dienelt, den Mieter der Wohnung in der Frühlingsstraße 26, aufsuchen und ihn über den Aufenthalt von »Susann Dienelt« befragen sollen. An Dienelts Meldeadresse auf der Christian-Gottlob-Wild-Straße 9 habe jedoch niemand die Tür geöffnet. Seine Wohnung im Erdgeschoss sei zwar offenkundig bewohnt, aber darin war niemand zu sehen. Um 6 Uhr habe die Schicht von KOM Düniß geendet.

Nach einer Stunde und 45 Minuten ist die Befragung des Zeugen beendet.

Die Befragung von Jörn Naumann beginnt um 14:05 Uhr. Der Polizist war 2011 Auszubildender an der Fachschule der Polizei Sachsen in Chemnitz. Er berichtet, dass seine Lehrgruppe mit 25 Polizeianwärtern den Auftrag erhalten habe, am 9. November 2011 die Polizei Zwickau an der Frühlingsstraße zu unterstützen. Begleitet worden sie durch einen ihrer Ausbilder, der im Verlauf des Tages eine beobachtende Rolle eingenommen habe.

Nachdem sie dort eingetroffen sind, sei eine kurze Begrüßung und eine Einweisung in den Ereignisort erfolgt. Die Frühlingstraße sei mit Bauzäunen abgesperrt gewesen, im Umfeld seien zahlreiche Schaulustige zu sehen gewesen, darunter viel Presse. Neben den Polizeianwärtern, seien mehrere Personen in Brandursachenermittlerkleidung anwesend gewesen, sowie zwei bis drei Beamte aus Baden-Württemberg. Diese seien Naumann jedoch nicht am Tag selbst aufgefallen, sondern in Vorbereitung auf die heutige Vernehmung, als er Zeitungsausschnitte vom 9. November 2011 angeschaut habe. Die Aufgabe sei gewesen den Schuttberg abzutragen. Naumann berichet, dass dazu drei Gruppen je acht bis zehn Personen gebildet worden seien. Eine davon habe Schubkarren beladen, die zweite habe den Schutt weiter zu einer Plattform transportiert, wo die Durchsuchung stattgefunden habe. Diese sei jedoch nicht durch die Lehrgruppe durchgeführt worden. Die dritte Gruppe habe pausiert. Zwar hätten die Polizeischüler bereits im August und September 2011 ein Praktikum in Tatortarbeit absolviert, vergleichsweise sei »diese Situation […] viel komplexer gewesen, war viel größer«, so die Einschätzung Naumanns. So etwas hätten sie noch nie gemacht.

Im Verlauf der Beräumung hätten die Polizeianwärter eine Maschinenpistole, Revolver, mehrere Handys, Magazine, drei bis vier Gläser mit Schwarzpulver, mehrere CDs oder DVDs gefunden. Das Schwarzpulver habe Naumann auf Sicht erkannt, das habe er bei der Bundeswehr gelernt. Besondere Maßnahmen zur Eigensicherung der suchenden Beamten seien nicht erfolgt, da diese im Umgang mit Waffen ausgebildet waren. Naumann berichtet: »Wenn dann etwas zum Vorschein kam, ist natürlich erst mal die Aufregung groß gewesen.« Auch der Fund des Schwarzpulver habe zu keiner Unterbrechung geführt. Naumann erklärt, dass er gegen Ende des Einsatzes auf einen Gegenstand gestoßen sei, der wie ein Heizungsrohr ausgesehen, sich dann aber als Pistole herausgestellt habe. Es habe sich, wie er später durch Medienberichte erfahren habe, um ebenjene Ceska gehandelt, die als Tatwaffe bei Morden in der gesamten BRD eingesetzt wurde. Naumann wird gefragt, ob ihm etwas merkwürdig vorgekommen sei am Fundort, und antwortet: „Nein, das war ein normaler Schuttberg wie von einem Abrissgebäude.“ Auf die Nachfrage, ob Fundstücke deplatziert gewirkt hätten, antwortet er mit: „Nein, auf keinen Fall.“ Auf die Nachfrage, ob für ihn alles kohärent gewirkt hätte, antwortet er mit: „Ja.“ Nach der Dokumentation des Funds sei die Übergabe an andere Kollegen vor Ort erfolgt. Die Namen der Kollegen seien Naumann jedoch nicht bekannt, es sei auch keine Dokumentation seines Namens als ursprünglichen Finder der Pistole erfolgt. Für die Fotodokumentation seien ebenfalls andere Kollegen zuständig gewesen, die hinzugerufen worden seien, sobald einer der Polizeischüler auf einen relevanten Gegenstand stieß.

Die Suche sei bis 16 Uhr geplant gewesen, jedoch habe man dann entschieden »durchzuziehen« und alles fertig zu machen. Gegen 18 Uhr sei dann die Durchsuchung des  Gebäudeschutts beendet gewesen. Die Polizeischüler seien zurück nach Chemnitz gereist. Auf der Abreise hätten die Polizeianwärter miteinander gesprochen, Naumann berichtet von einem »stolzen Gefühl«, da man etwas gefunden habe und somit etwas beitragen konnte. Es sei das einzige Mal, dass Naumann mit Aufgaben in der Frühlingsstraße betraut worden sei, es sei der einzige Einsatz dieser Art während seiner Ausbildungszeit gewesen. Eine Auswertung im Rahmen des Ausbildung sei nicht erfolgt. Die beteiligten Polizeischüler hätten jedoch ein bis zwei Monate später eine DNA-Probe zum Spurenabgleich abgeben müssen. Die Befragung heute vor dem Untersuchungsausschuss sei die erste nach dem Einsatz, so Naumann abschließend. Die Befragung endet nach gut einer Stunde.

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