Der sächsische Untersuchungsausschuss – Ein Eindruck von Studierenden

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Der folgende Text wurde uns freundlicherweise von Sarah Maurer zur Verfügung gestellt. NSU Watch Sachsen bedankt sich!

Am Montag, den 29. Januar 2018, haben wir, eine kleine Gruppe Studierende der TU Chemnitz, der 28. Sitzung des sächsischen Untersuchungsausschusses beigewohnt. Das Seminar „Zwischen Zäsur, Gras und blinden Flecken: Der NSU-Komplex und dessen Aufarbeitung in Deutschland“ hat uns im vergangenen Semester die Möglichkeit geboten, sich mit dem umfangreichen Themenfeld des NSU-Komplexes auseinander zu setzen.

Der Großteil der Seminarteilnehmer_innen brachte wenig Vorwissen mit, einige Beiträge der Medien waren bekannt. Dank unserer Dozentin Jane Viola Felber (die u.a. das Theatertreffen „Unentdeckte Nachbarn“ zur Aufarbeitung der NSU-Verbrechen in Chemnitz/Zwickau organisierte), hatten wir nach wenigen Sitzungen einen grundlegenden Überblick über die wichtigsten Geschehnisse sowie die aktuelle Lage der Aufarbeitung in Deutschland.

Um nicht nur bei der Theorie zu bleiben, entschieden wir uns für eine Exkursion zu einer Sitzung des sächsischen Untersuchungsausschusses im Dresdner Landtag. Zu unserer Überraschung waren wir – neben NSU Watch Sachsen – die einzigen Gäste im Raum. Nachdem wir unsere Plätze einnehmen durften und der offizielle Teil der ersten Zeugenbefragung begonnen hatte, wurde unsere Aufmerksamkeit immer wieder auf Mitglieder des Ausschusses gelenkt, die erst mit voranschreitender Zeit im Raum eintrafen. Es schien vollkommen unproblematisch und selbstverständlich, zunächst seine Sitznachbarn zu begrüßen, in Ruhe auszupacken und sich bei Bedarf mit Kaffee und Keksen zu versorgen. Die Smartphones der Mitglieder verlangten scheinbar deren Aufmerksamkeit und manch einer ließ es sich nicht nehmen, interessante Informationen auch mit den Nachbarn zu teilen. Dieses Bild bot sich erneut nach der Mittagspause, als die letzte Befragung des Tages stattfand. Bei uns entstand der Eindruck allgemeinen Desinteresses, zumindest bei einem Teil der Mitglieder des Ausschusses.

Diejenigen Mitglieder, die an diesem Tag Fragen an die Geladenen richteten, wirkten, bis auf vereinzelte Ausnahmen, vorbereitet und aufmerksam während der Befragung, sodass einige Themen vertieft werden konnten. Nicht ersichtlich für uns Gäste war allerdings, weshalb beispielsweise bei Widersprüchen in den Zeugenaussagen oder augenscheinlichem Zurückhalten von Informationen keine zusätzlichen Fragen gestellt wurden, soll die ganze Untersuchung doch zur „Wahrheitsfindung“ beitragen.

Auch im weiteren Verlauf der Sitzung schienen nicht alle Beteiligten mit dem nötigen Ernst und Respekt bei der Sache zu sein. Sei es wiederholtes Kopfschütteln und Grimassen, wenn sich eine Zeugin nicht mehr an gefragte Sachverhalte erinnerte, oder unangebrachte Kommentare, als es um die Frage nach aufgesuchten Frauenärzten im Rahmen der Fahndung nach dem Kerntrio des NSU ging.

Dass es nicht einfach ist, sich auf ca. 20 Jahre alte Erlebnisse zu konzentrieren, ist verständlich. Außerdem vermögen wir als Außenstehende nicht zu sagen, an welchen Stellen mehr Erinnerung vorhanden war, als von den Befragten preisgegeben wurde. In einem Rahmen, wie wir ihn an diesem Tag im Dresdner Landtag miterlebt haben, wird es den Zeuginnen und Zeugen allerdings auch nicht einfach gemacht, die nötige Konzentration und ein gewisses Vertrauen gegenüber dem Untersuchungsausschuss aufzubringen, um ihre Erinnerungen zu teilen.

Die Zeugen/innenvernehmungen im Rahmen des Untersuchungsausschuss sind grundsätzlich öffentlich. Für den Einlass in das Landtagsgebäude genügt ein gültiger Personalausweis oder ein Reisepass.

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