- Thema: Ermittlungen zum Brand in der Zwickauer Frühlingsstraße 26
- Zeuge Thomas Müller, pensionierter Polizeibeamter
- Zeuge Swen Philipp, Polizeibeamter
In der achten Sitzung des Untersuchungsausschusses werden zwei Zeugen gehört. Beide waren in leitender Funktion an den Ermittlungen in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 involviert. Während der mittlerweile pensionierte Kripo-Beamte Müller nur kurz mit den Ermittlungen zu tun hatte, war Philipp als Mitglied der Ermittlungsgruppe »Frühling« umfassend mit dem Geschehen befasst.
Thomas Müller berichtet vor dem Untersuchungsausschuss, dass er am 4.11.2011 Dienst im Kommissariat 11 der Kriminalpolizei Zwickau hatte. Vom Kriminaldauerdienst hätten er und sein Kollege Philipp von einer Explosion in der Frühlingsstraße 26 erfahren und sich gemeinsam zum Brandort begegeben. Müller erzählt, dass er sich dort einen Überblick über die Situation verschafft und mit den Kollegen von Schutzpolizei, Kriminaldauerdienst und Revierleitung gesprochen habe. Nach kurzer Besichtigung des Brandortes sei er auf das Revier zurückgekehrt, später sei er noch einmal am Brandort gewesen, wo er vom Kollegen Lenk über einen aufgefundenen Benzinkanister informiert worden sei. Nicht in Erinnerung sei ihm geblieben, wann und von wem die Telefonnummer der »Susann Dienelt« erhoben wurde.
Erst am nächsten Tag habe er einen konkreten Ermittlungsauftrag bekommen, er habe Informationen zu den Bewohnern der Frühlingsstraße 26 zusammentragen sollen. Er und seine Kollegen hätten u.a. die Spur von »Susann Dienelt« (eine Tarnidentität von Beate Zschäpe) in die Polenzstraße verfolgt und hätten dort von einer Nachbarin ein Foto ausgehändigt bekommen. Zudem sei er über den Banküberfall in Eisenach und das Wohnmobil mit den zwei Toten informiert worden, das von Zeugen auf der Frühlingsstraße gesehen worden sei.
Müller berichtet außerdem von einem Telefonat, dass er mit dem vermeintlichen Anwalt Baumgart aus Potsdam geführt habe. Der habe erklärt, dass er Matthias Dienelt, den Mieter der Frühlingsstraße 26, vertrete. Baumgart habe weiterhin gesagt, dass er am Montag die Untermietverträge einreichen könne und irgendwann auch ein Gespräch mit Matthias Dienelt möglich sei. Müller habe auf ein schnelleren Termin bestanden, denn hier habe sich ein erster konkreter Ermittlungsansatz ergeben. In einem weiteren Telefonat mit Herrn Baumgart habe Müller auf den Zusammenhang mit dem ausgebrannten Wohnmobil und die beiden Toten in Eisenach verwiesen. Das habe die Terminfindung für eine Befragung »beschleunigt«, am darauffolgenden Tag sei Dienelt mit einem Anwalt im Revier Zwickau erschienen und sei durch den Kollegen Flemig vernommen worden. Am Abend sei Müller aus dem Vorgang entlassen worden und habe nicht wieder mit den Ermittlungen zu tun gehabt.
Zweiter Zeuge am heutigen Tag ist Swen Philipp, der zum Zeitpunkt des Brandes in der Frühlingsstraße Leiter des Dezernates 1 der KPI Zwickau war. Ab 07.11.11 war er stellvertretender Leiter der EG »Frühling«. Philipp hat eine Powerpoint-Präsentation vorbereitet und schildert ausführlich die Ermittlungen und den Kenntnisstand der Ermittlungsgruppe. Insgesamt dauert sein Statement etwa drei Stunden.
Er berichtet, dass der Schwerpunkt am Brandtag darauf gelegen habe, »Susann Dienelt« aufzufinden. Von der Thüringer Sonderkommission (Soko) »Capron« habe das Lagezentrum Informationen über den Banküberfall in Eisenach und die »zwei nicht-natürlichen Todesfälle« erhalten, jedoch sei hier noch kein enger Zusammenhang zum Brand in der Frühlingsstraße entdeckt worden. Philipp berichtet außerdem, dass die Kollegen Düniß und Walther die Telefonnummer von »Susann Dienelt« um 17:39 Uhr erhalten hätten, so gehe es zumindest aus dem Lagefilm des Reviers hervor. Die Nummer sei von Herrn Lutz Winkler herausgegeben worden, der in der Frühlingsstraße 26a wohnte und dort nach Aussage von Philipp eine »Trinkerrunde« unterhalten habe, an der hin und wieder auch »Susann Dienelt« (also Beate Zschäpe) teilgenommen haben soll.
Am darauffolgenden Samstag sei aus der Thüringer Soko ein Verbindungsbeamter nach Sachsen entsendet worden, die Zusammenarbeit sei jedoch zunächst nur schleppend angelaufen, so Philipp. »Komisch« habe er zunächst den Umstand empfunden, dass ein Staatsschutzbeamter entsendet worden sei. Ein »Vier-Augen-Gespräch« zwischen dem Verbindungsbeamten und Polizeipräsident Georgie (heute: Landespolizeipräsident, Anm. d. V.) habe dann einen reibungslosen Informationsfluss und -austausch ermöglicht.
Am Samstag Mittag sei im Lagezentrum der Zusammenhang zwischen Eisenach und der Frühlingsstraße hergestellt worden, eine altes Fahndungsplakat mit Bildern von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe habe neue Ermittlungsansätze eröffnet. Viele der befragten Nachbarn hätten auf den Bildern, die Bewohner der Frühlingsstraße 26 wiedererkannt. Ebenfalls am Samstag sei nach der Suche mit einem Brandmittelspürhund klar gewesen, dass die Wohnung gezielt in Brand gesetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt seien die polizeilichen Ressourcen weiter aufgestockt worden, u.a. sei ein Beamter des Staatsschutzes des Landeskriminialamtes (LKA) Sachsen hinzugezogen worden.
Philipp berichtet weiter, dass ab Sonntag drei Beamte der Soko Parkplatz aus Baden-Württemberg bei der Tatortarbeit unterstützt hätten. Die im Schuttberg gefundenen Waffen, seien beim LKA Sachsen untersucht worden. Ein Revolver habe als Tatwaffe identifiziert werden können, die bei einem Banküberfall in Zwickau 2006 genutzt worden sei. Der Raubüberfall sei einer von insgesamt einem Dutzend in Chemnitz, Zwickau und Stralsund, die im Jahr 2007 von der Polizei als Serie identifiziert worden seien. Philipp berichtet, es habe auch eine Durchsuchung bei Max-Florian B. in Dresden gegeben, zuvor seien Ausweispapiere und Mietunterlagen mit seinem Namen aufgefunden worden. Außerdem hätte Susann Eminger als Zeugin befragt werden sollen, sie habe jedoch abgelehnt und ebenfalls auf den vermeintlichen Rechtsanwalt Baumgart aus Potsdam verwiesen.
Am nächsten Tag, so erzählt Phillipp, sei die Handschließe von Michèle Kiesewetter identifiziert worden. Der Zeuge schildert zudem den Aufbau der Ermittlungsgruppe »Frühling«, die mit ca. 20 Beamten besetzt gewesen sei und zusätzlich durch Beamte aus Thüringen, Baden-Württemberg und vom LKA Sachsen unterstützt worden sei. Der Dienstag habe im Zeichen der Festnahme von Beate Zschäpe gestanden, diese habe sich in Begleitung eines Anwalts bei der Polizei Jena gestellt. Philipp erklärte, dass Sachsen »das Ringen um Frau Zschäpe gewonnen« habe. Mit dem Haftbefehl wegen Brandstiftung sei sie erst in die PD Zwickau und anschließend in die JVA Chemnitz überführt worden. An einem von Zschäpe getragenen Strumpf sei es gelungen Brandbeschleuniger nachzuweisen.
Am 9.11.2011 sei Zschäpe dann dem Untersuchungsrichter in Zwickau vorgeführt worden und anschließend in die JVA Chemnitz überstellt worden. Zum anderen, so Philipp weiter, seien zwei weitere Waffen im Brandschutt gefunden worden, eine davon mit Schalldämpfer. Diese seien nicht mehr vom LKA, sondern vom Bundeskriminalamt (BKA) in Karlsruhe untersucht worden. In Hannover sei außerdem Holger Gerlach festgenommen worden, unter dessen Namen ein Wohnmobil angemietet worden sei, das in einer Ringalarmfahndung nach dem Mord an Michèle Kiesewetter in Heilbronn festgestellt worden sei.
Am Donnerstag sei dann die Ceska-Pistole identifiziert worden, die in acht Mordfällen als Tatwaffe genutzt worden sei. Ebenso habe die Radom-Pistole als Tatwaffe im Mord an Kiesewetter bestimmt werden können. Auch die in der Frühlingsstraße gefundenen DVDs seien durch den Kollegen B. ausgewertet worden, bei der Betrachtung des Videos sei dem BKA-Beamten D., Leiter der Ermittlungsgruppe »Ceska«, sofort aufgefallen, dass hierbei Tatortfotos verwendet worden seien, die nicht aus Polizeikreisen stammten.
Am 11.11. habe das BKA und die Generalbundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich gezogen. Phillipp selbst sei als Verbindungsbeamter bei der BKA-BAO in Wilkau-Haßlau weiter mit dem Fall beschäftigt gewesen. Auf Nachfrage erklärt er, dass die Aussage vor dem Untersuchungsausschuss seine erste im Zusammenhang mit den Ermittlungen sei.
Um 16:27 Uhr sind nicht mehr genügend Landtagsabgeordnete beim Untersuchungsausschuss, daher wird die Sitzung unterbrochen. Der Zeuge soll nochmals geladen werden, da eine Vielzahl an Nachfragen aufgrund des umfangreichen Vortrags offen geblieben sind.