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Thema: Ermittlungen zum Brand in der Zwickauer Frühlingsstraße 26
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Zeuge André Poitschke, Polizeibeamter
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Zeuge Frank Prüfer, Polizeibeamter
Der Untersuchungsausschuss befasst sich weiterhin mit den Ermittlungen nach dem Brand in der Frühlingsstraße 26. Dazu hört der Ausschuss zwei Zeugen. Der Polizist André Poitschke führte unter anderem die Beschuldigtenvernehmung von Beate Zschäpe in der Kriminalpolizeiinspektion in Zwickau durch. Er schildert ausführlich seine Tätigkeiten, eine Nachfrage zu Ralf Marschner bleibt jedoch unbeantwortet. Sein Kollege Frank Prüfer führte die Ermittlungsakte der Ermittlungsgruppe »Frühling«.
Der Kriminalhauptmeister Poitschke ist seit 29 Jahren Polizist und seit 1990 bei der Kriminalpolizei. In Zwickau bearbeitet er seit 2008 vor allem Delikte gegen Leben und Gesundheit.
Poitschke berichtet, dass er am 4.11.2011 und dem darauf folgenden Wochenende dienstfrei gehabt habe. Am Montag, den 7.11.2011 seien er und sein Kollege Prüfer zur Ermittlungsgruppe »Frühling« abgestellt worden. Er habe noch am Montag eine Telefonüberwachung von Beate Zschäpe beim Amtgericht Zwickau beantragt, da Zschäpe als Beschuldigte galt und zur Fahndung ausgeschrieben gewesen sei. In den Tagen zuvor habe es keine Telefonüberwachung gegeben, ob jedoch eine Standortbestimmung vorgenommen wurde, könne er nicht sagen. Er erinnere sich nicht mehr, ob die Telefonüberwachung seine Idee gewesen sei oder die des Oberstaatsanwalts Elling. Im Polizeirevier Zwickau habe er ein Auswertegerät und die nötige Software gehabt. Die Überwachung habe aber keine Erkenntnisse gebracht. Das abgehörteTelefon sei dauerhaft ausgeschaltet gewesen. Poitschke erwähnt, dass das Telefon einmal angewählt worden sei, das habe die Ermittler aber nicht weitergebracht. Urheber des Anrufs sei ein Telefon, das auf Beatrix J. registriert gewesen sei, erklärt er auf Nachfrage. »Eine Nachbarin, die mit der Sache nicht zu tun hatte«, gibt der Polizeibeamte seine Erinnerung wieder. Eine fragwürdige Einschätzung, zum einen weil das Mobiltelefon von Beate Zschäpe auf Beatrix J. registriert war, zum anderen wegen des merkwürdigen Verhaltens J.s im Zuge einer polizeilichen Befragung am Abend des 4.11.2011. Die Überwachung des Telefonanschlusses habe bis zur Inhaftierung von Beate Zschäpe am 8.11.2011 angedauert. Die Dokumentation der Maßnahme sei in einer Beiakte erfolgt.
Poitschke berichtet, dass er für die Befragung von Zschäpe bestimmt worden sei. Die Befragung habe 18:15 Uhr begonnen und etwa eine halbe Stunde gedauert. Neben ihm sei eine Schreibkraft und eine Kollegin aus Baden-Württemberg, Kriminalhauptkommissarin H., anwesend gewesen. Zschäpe habe nur ihre Personalien angegeben und ansonsten die Aussage verweigert. Während der Befragung sei zweimal die Tür zum Befragungszimmer geöffnet worden, um Wiedererkennungszeugen einen Blick auf Zschäpe werfen zu lassen. Dafür sei der Kollege Prüfer verantwortlich gewesen. Zschäpe habe dabei die Zeugen wahrgenommen, aber nicht darauf reagiert.
Nach der Befragung habe Poitschke mit Zschäpe im gegenüberliegenden Dienstzimmer mehrere Zigaretten geraucht, auch habe Zschäpe etwas zu Essen bekommen. Dabei habe sich ein Gespräch zu »Allgemeinplätzen« entwickelt, dass allerdings nicht geplant gewesen sei. Hätte Zschäpe kein Wort gesagt, wäre auch kein Gespräch zustande gekommen, so Poitschke. Zschäpe habe sich etwa nach ihren Katzen erkundigt, sie habe gesagt, dass sie mit den »beiden Uwes« eine Familie gebildet habe und dass sie von ihrer Oma großgezogen worden sei. Außerdemhabe sie gesagt, dass sie nicht verstünde, wie sich die Uwes so entwickeln konnten. Für Poitschke habe Zschäpe gelöst gewirkt, weil ihre Flucht beendet sei. Sie habe einen abgespannten, aber auch konzentrierten und schlauen Eindruck gemacht. So habe sie nachgefragt, ob dieses Gespräch aufgezeichnet werde. Poitschke habe das verneint, aber gesagt, dass er einen Aktenvermerk darüber anfertigen werde. Näher könne er den Zustand von Zschäpe nicht untermauern.
Am Mittwoch, den 9.11.2011, habe Poitschke den Transport von Zschäpe zur richterlichen Anhörung organisiert. Zschäpe habe auch dort keine Aussage gemacht. Am nächsten Tag, berichtet Poitschke, sei er mit einer Kollegin bei der Mutter und der Oma von Beate Zschäpe gewesen, um diese über die Inhaftierung und Verlegung von Beate Zschäpe zu informieren. Am Freitag sei er für die Vernehmung von Zschäpes damals 90-jährigen Nachbarin in der Frühlingsstraße 26, Charlotte E., verantwortlich gewesen. Die Vernehmung sei auf Betreiben von Zschäpes Anwalt vorgenommen worden, Ziel sei die Entlastung von Zschäpe gewesen. Die Nachbarin habe ausgesagt, dass sie am 4.11.2011 nachmittags ein Klingeln gehört habe und sich daraufhin langsam zur Wohnungstür begeben habe. Dort sei niemand gewesen, auch beim Blick aus dem Badezimmerfenster habe sie niemanden gesehen. Als sie nach einer Weile ins Wohnzimmer zurückgegangen sei, habe sie dort Rauch festgestellt und aus dem Fenster gesehen, wo ihr Leute etwas zugerufen hätten. Danach sei sie aus der Wohnung gebracht worden.
Auf Nachfrage erklärt Poitschke, dass er die politische Dimension des Falls erst im Verlauf der Woche erkannt habe. Die Ermittlungen seien schließlich am 11.11.2011 dem Bundeskriminalamt (BKA) übergeben worden, so Poitschke. Er sei einer von vier Beamten der Polizeidirektion Zwickau gewesen, die bei der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) »Trio« nach dem 11.11.2011 gearbeitet hätten. Als Poitschke gefragt wird, ob er Ralf Marschner kenne, zögert Poitschke kurz: »Der Name sagt mir etwas.« Er will sich jedoch zunächst mit seinem Zeugenbeistand, Rechtsanwalt Peters, beraten. Nach einem kurzen Gespräch, wird dem Anwalt das Wort erteilt. Er sagt, dass die Aussagegenehmigung nur bis zum 11.11.2011 reiche. Außerdem seien zu »Sachen«, die Ermittlungen des Generalbundesanwalts beträfen, nur nach dessen Genehmigung Auskünfte möglich: »Demnach keine Aussage dazu.«
Der zweite Zeuge des Tages ist Kriminalhauptkommissar Frank Prüfer. Er war Vorgangssachbearbeiter für die Ermittlungsgruppe »Frühling«und verantwortlich für die Führung der Ermittlungsakte.
Prüfer berichtet, dass er bis zum 6.11.2011 im Urlaub gewesen sei. Am 7.11.2011 gegen 14 Uhr sei er mit der Aktenführung für die Ermittlungsgruppe betraut worden. Das habe bedeutet, einen Vorgang aufzubauen, Daten in das Integrierte Vorgangsbearbeitungssystems (IVO) einzupflegen, eine Originalakte für die Staatsanwaltschaft zu fertigen, sowie eine Arbeitskopie der Akte für die Mitarbeiter der Ermittlungsgruppe und die hinzugegezogenen Kollegen aus Thüringen, Baden-Württemberg und dem BKA zu fertigen. Auf Nachfrage erklärt er, dass es dazu keine spezielle Ausbildung gebe. Die Aktenführung lerne man im Laufe der Jahre, außerdem gebe es eine Dienstvorschrift zur Aktenhaltung. Kontrollmechanismen dafür gäbe es »in dem Sinne« nicht, so Prüfer. Prüfer wird gefragt, wie etwa eine von ihm unterschriebene Sprengstoffanzeige existieren könne, die auf den 4.11.2011 datiert sei und zudem die Namen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe enthalten hätte, obwohl diese zudem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen seien und Schwarzpulver erst im Verlauf der folgenden Woche aufgefunden worden sei. Prüfer überlegt kurz, sagt dann aber mit Bestimmtheit, dass er das erklären könne. Das hänge mit IVO zusammen. Er sei erst am 7.11. wieder im Dienst gewesen. Er habe aus der vorhergenden Anzeige, die weiteren abgetrennt. Der Haken dabei sei, dass nicht automatisch ein neues Datum eingefügt werde. Er bedauert, dass er das mit dem falschen Datum leider nicht gesehen habe.
In Absprache mit dem Kollegen Poitschke habe er die erste Vernehmung von Zschäpe vorbereitet. Er sei für zwei Gegenüberstellungen verantwortlich gewesen. Beide Zeugen erkannten in der Frau Zschäpe, die gesuchte »Susann Dienelt« von der Frühlingsstraße 26 wieder. Die Namen der Zeugen seien ihm nicht mehr erinnerlich. Eine Person sei die sogenannte »Katzenmutter« gewesen, eine Frau bei der Zschäpe die Katze währrend der Urlaubsreisen abgegeben habe. Der zweite Zeuge sei jemand aus der Nachbarschaft gewesen. Bei der Gegenüberstellung hätten Zeugen und Zschäpe Blickkontakt gehabt und sich auch jeweils zugenickt, erklärt Prüfer. Im Anschluss seien die Zeugen über die Person (Zschäpe) befragt worden. Prüfer habe mit der Gegenüberstellung sichergehen wollen, dass die Frau auch die ist, die in der Frühlingsstraße 26 gelebt hat. Er sagt, dass sie »die Größten gewesen wären«, wenn sie sich mit einer »Wildfremden« beschäftigt hätten.
Prüfer berichtet, dass er am 9.11.2011 am Brandort gewesen sei, jedoch nicht im Haus selbst. Er hatte Kontakt mit dem Brandursachenermittler Kurt Lenk. Dieser habe ihn gebeten Bauunterlagen zur Frühlingsstraße 26 zu beschaffen. Er sei außerdem im Tierheim gewesen, um Fotos von Zschäpes Katzen zu machen. Mit diesen erhoffte er eine mögliche Vernehmung positiv beeinflussen zu können.
Am 10.11.2011 habe er die im Bauschutt gefundenen Waffen in die Ermittlungsakte eingepflegt und die entsprechenden Anzeigen gefertigt. Dabei sei es so gewesen, dass Waffenfunde zunächst geheimgehalten und erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Akte aufgenommen worden. Jeder bekäme nur die Informationen, die er benötige. Was in der Hierarchie über ihm passiere, wisse Prüfer nicht. Einen Tag später habe Prüfer dem Generalbundesanwalt eine Lichtbildmappe mit Passdokumenten übersandt, sowie eine Liste mit elf Alias-Namen, die von Zschäpe genutzt worden seien. An diesem Tag sei den Ermittlern auch eine DVD mit dem Bekennervideo des NSU vorgeführt worden, wobei schon am Vortag bekannt gewesen sei, dass DVDs aufgetaucht sind. Es sei sich daher nicht mehr sicher, an welchem der beiden Tage die Videoausschnitte gezeigt wurden. Das Video sei nicht als »Highlight« angekündigt worden, so Prüfer auf Nachfrage. Die Tonlage sei eher bedrückend gewesen: »Ihr müsst euch mal anschauen, wie perfide die Leute vorgegangen sind.« Das sei das erste Mal gewesen, dass er vom NSU gehört habe, berichtet Prüfer. Auf Nachfrage erklärt er, dass er bis dahin nicht mit Staatsschutzaufgaben befasst war. Dass es sich um eine Staatsschutzsache handelt habe er erst mit der Sichtung des Videos realisiert. Bis dahin seien die Drei für ihn schlicht »Kriminelle« gewesen.
Am 11.11.2011 sei die Bildung der BAO des BKA erfolgt. Prüfer habe die Originalakte am darauffolgenden Tag an den Chef der BAO übergeben. Das sei eine Art symbolischer Akt gewesen, »keine Feierstunde«, aber es sei doch ein bisschen formell zugegangen, so Prüfer. Seine Arbeitsakte habe er nach vollständigen Aufbau der BAO und auf Anweisung geschreddert, das sei um den Jahreswechsel 2011/2012 herum gewesen. Das sei übliche Praxis, da es »keine konkurrierenden Akten« geben solle, so Prüfer. Wann genau, die Anweisung erging, erinnert Prüfer nicht mehr. Sie müsse »über die Hierarchie« hereingekommen sein. Da sich das auf »engem Raum« abspiele, könne er nicht mehr sagen, von wem genau. Sinngemäß habe er gefragt, ob er seine Akte abgeben oder vernichten solle. Da die BAO genug Papier »da draußen« hätte, seien die Akte geschreddert und der dazugehörige elektronische Vorgang abgeschlossen worden.
Poitschke war bereits Zeuge vor dem OVG in München: