Bericht 26. Sitzung – 13. November 2017

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Bei der »Internen« verschlissen, dann zum Staatsschutz

Der erste Zeuge, der heute dem sächsischen Untersuchungsausschuss Rede und Antwort steht, ist der ehemalige Kriminalhauptkommissar Friedhelm Kleimann. Er gibt an, dass er mittlerweile seit zehn Jahren im Ruhestand ist.

Zum Untersuchungsgegenstand des Ausschusses berichtet er zunächst, dass er im Januar 2002 zur Staatsschutzabteilung des LKA in Erfurt gekommen sei, nachdem er zuvor bereits fünf Jahre lang beim Landeskriminalamt Thüringen tätig gewesen sei. Dort habe er zunächst im Bereich Wirtschaftskriminalität gearbeitet und sei dann im Bereich Interne Ermittlungen tätig gewesen. Er habe sich schließlich bewußt »umsetzen« lassen, da er dort vom Dezernatsleiter »verschlissen« worden sei. Erfahrungen auf dem Gebiet des Staatsschutzes habe er bis dahin noch nicht gehabt.

In der Staatsschutzabteilung seien ihm dann die Akten der Zielfahndung über die Suche nach den untergetauchten »NSU-Mitgliedern« Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe übergeben worden. Er habe überprüfen sollen, ob sich anhand der Akten der Aufenthaltsort der Gesuchten finden lasse. Ihm seien dafür »sieben Leitz-Ordner« der Zielfahndung übergeben worden, außerdem Duplikate der Sachbearbeitungs-Akten der EG Tex [hier evtl.: Link zum Sitzungsbericht Dressler]. Die Akten seien auf dem Stand von August 2001 gewesen. Bis Kleimann sie übernommen habe, hätten sie »ein halbes Jahr unberührt herumgestanden.« Er habe dann auch nicht »Tag für Tag« an den Fahndungsakten gesessen, sondern noch andere Aufträge bearbeitet.

Aktenführung: ungenügend

Zunächst habe er sich anhand der »Sachakten« in das Thema eingearbeitet. Deutlich geworden sei, dass »die« in Jena untergetaucht seien und sich nach Chemnitz abgesetzt hätten. Die Zielfahndung habe dann Fahndungsmaßnahmen veranlasst: »Alles konzentrierte sich auf Chemnitz«, erläutert Kleimann.  Im Laufe der Zeit habe es etwa 30 bis 35 TKÜ-Maßnahmen gegeben. Die zugehörigen Beschlüsse seien jeweils über die Staatsanwaltschaft Gera beantragt worden. In den Akten sei auch das LfV Thüringen erwähnt gewesen, das mit dem LfV Sachsen ebenfalls an der Suche mitgewirkt habe.

Den Zustand der Akten bemängelt Kleimann, sie seien »unordentlich« gewesen. TKÜ-Berichte seien lediglich »zu- oder angeheftet« gewesen. Außerdem habe es Einheftungen ohne erklärenden Vermerk gegeben. Dem Zeugen seien etwa zwei »Fernschreiben aus Sachsen« aufgefallen, über Banküberfälle in Sachsen, die »einige Jahre her« gewesen sein sollen. Kleimann erklärt, er habe nicht eingesehen, hier die zuständigen Dienststellen anzurufen. Denn er hätte sie nur auf Böhnhardt,  Mundlos und Zschäpe hinweisen können. Letztlich wäre deren Anwesenheit »aber nicht zu überprüfen gewesen«, daher, so Kleimann weiter, sei das »Blödsinn«.

Überfälle zur Finanzierung: »Nein, der Gedanke war nicht da.«

Kleimann verneint auch die Frage, ob er den Gedanke hatte, dass sich die Untergetauchten mit Überfällen finanzieren. »Nein, der Gedanke war nicht da«, berichtet Kleimann und erzählt dann von einem Gespräch im Zuge seiner Befragung durch die Schäfer-Kommission – und macht damit einen großen zeitlichen Sprung, denn das Gespräch hat erst Ende 2011 oder Anfang 2012 stattgefunden haben. Dort habe ihm »Dr. Schäfer« zwei »Zettelchen« hingewiesen, auf denen jeweils zu lesen war: »Brauchen Geld«, auf einem dritten habe dann gestanden: »Brauchen kein Geld mehr, haben Arbeit gefunden.«

Aufgrund der anstehenden Verjährung der Straftaten, wegen denen die drei Gesuchten belangt werden sollten, habe er auch Kontakt zum LKA Sachsen gesucht, so Kleimann. Mit dem Kollegen Jürgen Dressler sei er in Dresden gewesen, dort seien sie aber an die Kollegen der Außenstelle Chemnitz verwiesen worden. Im Frühjahr 2002 habe man die vier bis fünf Kollegen kontaktiert und auch vor Ort getroffen. Zielstellung, so Kleimann, sei gewesen, Fahndungshindernisse herauszuarbeiten. Insgesamt sei er »drei-, vier-, fünfmal« in Chemnitz gewesen, um sich mit »den Kollegen« zu treffen. Gefragt nach der Qualität der Zusammenarbeit, antwortet Kleimann: »Meine Anfragen wurden beantwortet. Mehr kann ich dazu nicht sagen.« Durchscheinen lies Kleimann, dass die sächsischen Kollegen sich nicht immer Zeit für sein Anliegen nehmen wollten: Ihm sei nämlich durch die Außenstelle signalisiert worden, dass die Kollegen »sehr oft« im Erzgebirge zu tun hätten.

Verwechslung in Chemnitz?

Kleimann wird nach einem Vorfall am 23. Juli 2002 gefragt. Was er damals erlebte, sei »ziemlich einschneidend« gewesen: Er sei an dem Tag in Chemnitz gewesen, war um einen vermeintlichen Onkel von Beate Zschäpe aufzusuchen. Da der Ladestand seines Mobiltelefon immer kleiner wurde, habe er sich zum Einkaufscenter Sachsen-Allee begeben, um Batterien zu kaufen. Dort habe er, als die Rolltreppe hochgefahren sei, ein Pärchen in einem Café sitzen sehen und habe »dort  ’nen totalen Schrecken« bekommen. Der Grund: die verblüffende Ähnlichkeit des Pärchens mit Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Kleimann erklärt, dass oben angekommen rechts abgebogen sei und aus der Ferne nochmal geschaut habe. Eine Überprüfung »allein« schien ihm allerdings »zu schwer«, deswegen habe er erst die LKA-Kollegen in Chemnitz kontaktiert, die aber anderweitig unterwegs gewesen seien. Er habe dann bei der Polizeidirektion angerufen und nach etwa 20 Minuten traf eine Streifenwagenbesatzung ein.

Zusammen mit den Streifenbeamten habe Kleimann das Paar angesprochen: »Tag Frau Zschäpe, Tag Herr Böhnhardt!« Die beiden Personen hätten sich mit Dokumenten ausweisen können, die »Ende der 1990er« ausgestellt wurden. Die Namen wisse er allerdings nicht mehr, das Paar habe damals »im Frankenland« gewohnt. Beide seien trotzdem mit auf die Dienststelle genommen worden, wo ihre Fingerabdrücke im Rahmen einer Erkennungsdienstlichen Behandlung überprüft worden sind.

Beim Abnehmen und Abgleichen der Fingerabdrücke des Sachsen-Allee-Pärchens sei er nicht selbst im Raum gewesen. Der Abgleich mit der Fingerabdruckdatei sei über das BKA* gelaufen. Ein Zusammenhang zu Böhnhardt und Zschäpe habe sich jedoch nicht bestätigt, so Kleimann. Er erklärt, dass er »die Antwort akzeptieren« musste, daher habe er sich für die Umstände bei beiden Personen entschuldigt und sie gehen lassen.

Eine Nachfrage zielt auf einen Bericht Kleimanns, in dem er bereits vorher erwogen habe, sich bei den Verfassungschutzämtern in Thüringen und Sachsen zu erkundigen, ob den drei Untergetauchten neue Identitäten ausgestellt worden seien. Die Abgeordnete Köditz will wissen, woher diese Vermutung rühre. Kleimann verweist zunächst auf das »ähnliche Aussehen« des Pärchens. Wie er aber zu seiner früheren Vermutung hinsichtlich möglicher neuen Identitäten gekommen ist, dass könne er nicht mehr sagen. Dabei könnte es sich auch um »allgemeine« Anregungen gehandelt haben. Für ihn sei die Frage abschließend geklärt und er habe keinen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben. Er habe jedoch auch nicht ausschließen können, dass es solche neuen Identitäten gegeben habe, da er keine Hausdurchsuchung und Überprüfung der Familien vorgenommen habe. Das würde aber bedeuten, dass die Identitätsänderung auch beim Bundeskriminalamt hätte erfolgen müssen. Auch nachträglich sei das kaum zu überprüfen, so Kleimann, die Bilder der ED-Behandlung »müssten vernichtet worden sein, denke ich mal.« Falls nicht, dann wären sie in der EDV-Abteilung in Chemnitz zu finden. Insgesamt blieb Kleimann indifferent bei der Frage, ob damit alle Zweifel für ihn ausgeräumt waren.

Ein nichtexistenter Onkel

Der eigentliche Anlass seines Aufenthalts in Chemnitz, ein Termin bei einem Onkel von Zschäpe, habe sich als Irrtum herausgestellt. Die Person, die er befragen wollte, sei nicht mit Beate Zschäpe verwandt gewesen. Dessen Nachname war um ein »P« umfangreicher als Zschäpes Geburtsname »Apel«. Kleimann sagt aus, dass er sich frage, »warum man diese Spur überhaupt anlegt, wenn sich der Name anders schreibt.« Er sah die Sache damit als erledigt an.

Zur Frage, wie man auf Mandy Struck gestoßen sei und wieso ihre Wohnung in der Bernhardstraße zum Ziel von Observationsmaßnahmen wurde, kann Kleimann keine Antwort liefern: »Das kann ich nicht mehr sagen.« Angesprochen auf das »Umzugshelfer-Foto«** aus Mai 2000, sagte er, dass nach seiner Auffassung dort eine Maßnahme hätte veranlasst werden müssen, um die fragliche Person direkt zu kontrollieren.

Aufgesucht und befragt habe er Jan Werner – als einzige Person im Rahmen seiner Nachermittlungen. Der Akte habe er nicht entnehmen können, warum Werners Telefonanschluss vormals überwacht worden war. Werner habe bei seiner Mutter gelebt, erinnert sich der Kriminalbeamte. Bei der Befragung habe er »total gelogen« und geleugnet Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe überhaupt zu kennen. Für Kleimann sei das allerdings ein Indiz gewesen, dass er in Kontakt mit dem Trio gestanden haben muss.

Nicht ergiebig sei auch ein Kontakt zu einem KHK R. aus Sachsen gewesen, der beim Chemnitzer FC als Fanbeauftragter gearbeitet habe. Kleimann erklärt, im Zuge seiner Gespräche mit den Chemnitzer LKA-Kollegen habe er erfahren, dass KHK R. regelmäßig bei Auswärtsfahrten und Spielen des Fussballvereins vor Ort ist und es dort »rechtsradikale Fans« gebe. Deswegen habe er ihn aufgesucht und darum gebeten, informiert zu werden, sollte er von Hinweisen zum Verbleib des untergetauchten Trios erfahren – »vielleicht hat er auch einen Vertrauensmann bei den Fans«. Eine Rückmeldung habe es dann aber nicht gegeben.

»Falschaussage« vom Thüringer Zielfahnder

Kleimann ergänzt auch noch, dass er bei seiner früheren Arbeit in der Innenrevision »ganz kurioserweise« in Kontakt mit Ralf Wohlleben und »Patrick« [gemeint: André, Anm. NSU Watch Sachen] Kapke gekommen sei. Sie hätten Polizeibeamte wegen Freiheitsberaubung angezeigt, nachdem sie wegen Störungen bei Demonstrationen »einkassiert« worden sein. In Folge der Anzeigen seien die beiden zu Aussagen bei ihm gewesen.

Seine Aufarbeitung der Zielfahndungs-Akten habe insgesamt bis zum Herbst 2002 gedauert. Danach habe er nur noch »mit Ausländern zu tun gehabt«, da die Dezernate neu aufgeteilt worden seien. Kleimann erklärt, dass er es nicht so empfunden habe, dass er vom Fall »abgezogen« wurde: »Für mich war meine Arbeit so weit ausgereizt.« Er habe die Akten an an Herrn Dressler zurückgegeben.

Im Jahr 2011 sei ihm dann vorgeworfen wurden, so Kleimann, dass die Akten nicht mehr vollständig seien und er sie »verstreut« habe. Er hingegen sieht die Nachlässigkeit bei der Zielfahndung: Die Akten seien »nicht nummeriert« gewesen, daher könne er auch nicht sagen, ob etwas gefehlt habe. Er selbst bestreitet, die gesichteten Akten jemals verändert zu haben: »Nein, niemals.« Heute wisse er jedoch, dass »124 SMS fehlen«, und zwar von Jan Werner. Die Akten hätten in einem »Umzugskarton« unter seinem Schreibtisch gestanden, dass dort jemand dran war, könne er nicht ausschließen. Aussagen des Thüringer Zielfahnders Sven Wunderlich, Kleimann habe die Akten durch »Kopieraktionen« verändert, bewerte er als »Falschaussage«.

Der »operative Part«: Norbert Wießner

Nach der gut zweistündigen Aussage folgt die Befragung Norbert Wießners, der von 1993 bis 2000 beim LfV Thüringen gearbeitet hat. Seit 1998 habe er im Referat Rechtsextremismus den »operativen Part, also die Quellenführung« verantwortet. Im Juli 2001 ist er dann zur LKA-Abteilung für Verdeckte Maßnahmen gewechselt und wurde dann plötzlich zum Vorgesetzten des Zielfahnders Sven Wunderlich.

Wießner erklärt eingangs, er habe bereits mehrfach ausgesagt, unter anderem in Berlin vor dem dortigen Untersuchungsausschuss des Bundestags und in München vor dem Oberlandesgericht. In den letzten anderthalb Jahren beim LfV Thüringen habe er die V-Person Tino Brandt geführt, den er ursprünglich auch angeworben hatte. Brandt war »einer der Führungskader des THS« (Thüringer Heimatschutz) und habe dem LfV einen »guten Einblick in die Szene« gewährt – dann »kam die fatale Geschichte mit der Flucht«. Brandt sei als »nachrichtenehrlich« einschätzt worden. Zum Beweisthema führt Wießner nur kurz aus, dass das LfV Thüringen in die Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe involviert war. Für die Behörden in Thüringen sei vereinbart gewesen, dass »gemeinsam gefahndet« wird, aber voneinander »getrennt«. Die Zielfahndung des LKA sei in dieser Zeit »bei uns ein- und ausgegangen, wie ich es noch nicht erlebt habe«, so Wießner. Die LKA-Beamten hätten »Namen abgeschöpft«, aber keinen »Rücklauf« gegeben.

Immer wieder in Sachsen, niemals »operativ«?

Hinweise auf den Aufenthaltsort des gesuchten Trios hätten sich aus Quellenberichten ergeben, erklärt Wießner in der folgenden Befragung. So sei Tino Brandt aufgefordert worden, die Untergetauchten telefonisch zu kontaktieren. Er solle dazu eine Telefonzelle in Chemnitz anrufen. Wießner erklärt weiter, dass jedoch »nichts gemacht wurde, um die Zelle einzukreisen«, auch G10-Maßnahmen seien nicht eingeleitet worden. Er wisse jedoch, dass die Zielfahndung der Polizei »insgesamt 30 TKÜ-Maßnahmen« eingeleitet habe. Insgesamt schätze er die Fahndungsarbeit als »großen Kuddelmuddel« ein. Verantwortung dafür hätten »zwei eitle Präsidenten« getragen. Einmal habe er ein Observations-Foto zum LfV Thüringen gegeben und »fort war es«.

Seinerseits habe es auch Kontakte zum LfV Sachsen gegeben. Der Thüringer Verfassungschützer sagt einerseits immer wieder, dass er in Sachsen nicht »operativ« tätig geworden sei. Andererseits bezeichnet er die Zusammenarbeit mit dem Referatsleiter Rechtsextremismus des LfV Sachsen, Volker Lange, als »sehr kooperativ«, und erklärt außerdem: »Jegliche Unterstützung war da«, die man bei Observationen benötigte. Zweimal habe er mit Lange gesprochen, »das ging alles um Chemnitz«. Als ebenso gut bezeichnete er seinen »Arbeitskontakt« mit dem sächsischen V-Mannführer, mit dem er »auch kurzfristig Informationen austauschen« konnte. Einmal sei er mit der Zielfahndung gemeinsam zu einer Besprechung mit LfV Sachsen nach Chemnitz gefahren, »es muss um Observationen gegangen sein«. Wießner räumt schließlich ein, dass es sehr wohl Observationen »gegen einzelne [Telefon-] Zellen« gegeben habe. Warum es zur Zusammenarbeit zwischen den beiden Verfassungsschutzämtern keine schriftliche Dokumente gäbe, dazu könne er jedoch nichts sagen, erklärt der Zeuge weiter.

»Terzett«: nicht bekannt – die Ergebnisse aber schon?

Wießner bestätigt auch, dass Anfang 1999 ein Telefonat zwischen Brandt und Böhnhardt arragiert worden sei. Dieses Telefonat soll über eine Telefonzelle in Chemnitz abgewickelt worden sein. Ob darüber sächsische Behörden informiert wurden, dass könne Wießner nicht sagen. Dass die Thüringer Zielfahndung einbezogen wurde, »das kann ich mir nicht vorstellen«.

Auf Nachfrage verneint Wießner, von der Operation »Terzett« gewusst zu haben. Andererseits benannte er das »Umzugshelfer-Foto« aus Mai 2000, und damit eines der signifikantesten Ereignisse während der Operation »Terzett«. Dieses Foto habe man Quellen vorgelegt. Zuerst führte er aus, dass Quellen gesagt hätten: »Das ist Böhnhardt.« Auf spätere Nachfrage gab er an, dass die Quellen »Fünfzig-Fünfzig« in der Bewertung gewesen seien, ob es sich um Böhnhardt handelt oder nicht.

Hinweise auf die Geldbeschaffung habe es ebenfalls gegeben, so Wießner. Er führt Thomas Starke an, den er in Zwickau verortet. Der solle auf einem »Skinkonzert« angesprochen worden sein und dann geäußert haben, dass die Drei kein Geld mehr brauchen, da sie nun »jobben«. Wießner berichtet auch von Spenden: geflossen seien »fünf-, sechshundert Euro – immer mal«. Einmal habe gar eine seiner Quellen »im Auftrag« eine Spende an Wohlleben gegeben. Zu Starke führt er noch an, dass »ermittlungsmäßig hochgekommen« sei, dass er in Zwickau wohne.

Auf einen vorgehaltenen Vorwurf des Zielfahnders Sven Wunderlich, dass der Verdacht bestehe, das LfV Thüringen und das LfV Sachsen würden Wissen zurückhalten , erklärt Wießner, dass das nicht der Fall gewesen sei: »Da wurde nichts zurückgehalten.« Wießner bestätigt allerdings einen Fall, bei dem er in Anwesenheit des Zielfahnders »Personen angesprochen und Geld übergeben« habe. »Das ist in Jena gewesen«, so Wießner, nicht in Sachsen. In Sachsen sei er nie operativ tätig geworden, betont Wießner.

Angeblich »kein Zugang« nach Sachsen

Über die »Blood & Honour«-Sektion in Sachsen könne der ehemalige Mitarbeiter nichts sagen, »weil die sächsische Skinszene autark war«. Deswegen habe es auch über »Blood & Honour« keinen Zugang nach Sachsen gegeben.

Auf Nachfrage konkretisierte Wießner, dass auch über seine Quelle Marcel Degner, also den thüringischen »Blood & Honour«-Sektionschef, kein Kontakt dahin bestanden habe. Eine Aussage, die bereits seit Jahren widerlegt ist. So heißt es im Bericht des Thüringer Untersuchungsausschuss vom 16. Juli 2014 auf Seite 1542, dass Degner 1998 über eine »Liierung von Beate Zschäpe und dem ›Blood&Honour‹-Mitglied Thomas Starke« berichtete.

Die Frage, ob er wusste, dass Wohlleben Anfang 1999 eine von Zschäpe unterschriebene RA-Vollmacht besorgen konnte, beantwortete Wießner spontan mit »ja«. Die Frage, ob »Jule« (Juliane Walter) eine Quelle des LfV Thüringen gewesen sei, verneint der Verfassungsschützer. Mandy Struck sei ins Spiel gekommen, aufgrund einer »Verwechslung mit Zschäpe«.

Grundlegende Antwort schuldig geblieben

Nicht erklären konnte er die Diskrepanz zur Rückführung des Wohlleben-Fluchtautos im Januar 1998. Der Hinweis, das Auto sei auf halbem Weg zwischen Jena und Dresden liegen geblieben, kam von seiner Quelle Brandt – bestritten wurde das damals von der Gewährsperson Andreas »Alex« Rachhausen. In diesem Fall hatte sich Wießner, ohne das heute plausibel erklären zu können, wohl entschieden, seiner doch so »nachrichtenehrlichen« Quelle Brandt nicht zu glauben.

Zum Ende der etwa einstündigen Befragung hat der Zeuge mehrere offenkundig operative Sachverhalte in Sachsen geschildert – auch wenn er immer wieder leugnet, dass es solche gegeben habe. Er bleibt auch eine Antwort auf die grundlegende Frage schuldig, was er als thüringischer Beschaffer in Sachsen gewollt hat?

* Das Bundeskriminalamt war vor und nach der Flucht immer wieder im Fallgeschehen präsent. Stichwort »Garagenliste«: BKA-Beamte waren mit der Auswertung des Asservats betraut, kamen dem jedoch nicht nach. Dabei enthielt die Liste zahlreiche Kontakte von Uwe Mundlos vor allem nach Jena und nach Chemnitz, dem ersten Fluchtpunkt der gesuchten Nazis. Ebenfalls tauchen auf der Liste Kontakte nach Nürnberg und Rostock auf, wo der NSU später Mordanschläge begehen sollte.

** Das »Umzugshelfer-Foto« zeigt den Chemnitzer Kai Seidel in Begleitung einer »unbekannten, männlichen Person« und wurde im Rahmen der Operation »Terzett« aufgenommen. Wochen nach der Observation bittet das Thüringer LKA das BKA, die Fotos aus Chemnitz mit Polizeifotos von Uwe Böhnhardt aus dem Jahr 1996 zu vergleichen. Das BKA stellt fest, dass es sich »um ein und dieselbe Person« handelt. 

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