- Thema: Ermittlungen zum Brand in der Zwickauer Frühlingsstraße 26
- Zeuge Holger Illing, Oberstaatsanwalt
- Zeuge Uwe Wiegner, Leitender Oberstaatsanwalt
Mit Holger Illing und Uwe Wiegner werden heute zwei Zeugen vernommen, die während des Auffliegens des NSU in Zwickau bei der Staatsanwaltschaft tätig waren: Illing als langjähriger Oberstaatsanwalt und zuständiger Sachbearbeiter bei den Ermittlungen nach dem Brand in der Frühlingsstraße sowie sein Vorgesetzter Wiegner als damaliger Leiter der Staatsanwaltschaft Zwickau.
„Ausgesprochenes Wuling“
Holger Illing erklärt zu Beginn seiner Vernehmung, dass die Vorbereitung „nicht ganz einfach“ gewesen sei, weil ihm keinerlei Aktenmaterial mehr vorläge. Im Vorfeld der Vernehmung habe er sich deswegen mit Herrn Wiegner über die chronologische Reihenfolge der Ereignisse verständigt. Schließlich habe er die Woche, in der er mit den Ermittlungen betraut war, als ein „ausgesprochenes Wuling“ erlebt.
Am 4. November 2011 habe Illing im Videotext des MDR von einer Gasexplosion in Zwickau gelesen. Am Tag darauf sei er durch die Staatsanwältin Dr. Antje Dietsch unterrichtet worden, die wegen einer anderen Sache in der Polizeidirektion (PD) Zwickau gewesen sei, dass „hier etwas größeres anlaufe“ und es „sinnvoll“ sei, wenn sich dem jemand “von uns” annehme. Zwar habe es einen Bereitschaftsdienst gegeben, nämlich Staatsanwältin Sinikka Zehner in Plauen, aber es „sei ihm ganz lieb so“, wenn er die Sache übernehme könne, berichtet Illing, zumal er am Tatort wohne. Das sei nicht „absonderlich“.
Illing hat daraufhin das Führungs- und Lagezentrum der PD Zwickau kontaktiert und hat dem Leiter der Kriminalpolizei seine Unterstützung angeboten: „Wenn strafprozessuale Maßnahmen nötig sind, ruft mich an.“
Am 6.11.2011 kann sich Illing nicht mehr an einen Kontakt mit der Polizei erinnern, möglicherweise habe es ein Telefonat gegeben. Illing wird daraufhin ein Aktenvermerk über eine Absprache mit der Polizei vom 6. November vorgehalten. Darin heißt es, er habe einen Haftbefehl zugesichert. Illing antwortet ausweichend, dass er für so eine Entscheidung erst einmal „Papier“ benötige.
„Ausgesprochen mysteriöser Fall“
Am 7. November 2011 habe er sich um 9 Uhr in die Polizeidirektion begeben. Er sei über den aktuellen Sachstand unterrichtet worden. In der Frühlingsstraße 26 habe es eine Explosion gegeben, die wegen eines aufgefundenen Benzinkanisters und anschlagenden Brandmittelspürhunden auf absichtliche Brandlegung zurückzuführen sei. Es habe keine Verletzten oder Toten gegeben, in einem Wandtresor sei eine Pistole ähnlich einer „P38“ gefunden worden, außerdem zwei weitere Waffen im Flur und verschraubte Rohre, die Rohrbomben geähnelt hätten. Sichergestellten Datenträgern eines PCs sei die Information entnommen worden, dass am 4. November gegen 15 Uhr im Internet auf „Polizei- und Medienseiten“ gesurft worden sei.
In der Wohnung hätten zwei Männer und eine Frau gelebt, die Frau sei kurz vor der Explosion gesehen worden und anschließend davongelaufen. Die Namen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe seien ihm, so Illing, ebenfalls mitgeteilt worden. Man habe außerdem eine Öffentlichkeitsfahndung nach Beate Zschäpe eingeleitet. Wieso allerdings von der Polizei der Aliasname „Susann Dienelt“ herausgegeben wurde, könne er nicht beantworten. Er betont, dass der Beschluss auf den Namen Beate Zschäpe gelautet habe. Als weitere Maßnahme sei die Überwachung für das Mobiltelefon Beate Zschäpe („Susann Dienelt“) eingeleitet worden. Der Anschluss lief auf den Namen von Beatrix J., die Telefonnummer sei von der Polizei gekommen. Dass es bereits Versuche gegeben habe, Zschäpe zu kontaktieren, habe er erst im Nachhinein erfahren.
Illing berichtet weiter, dass sich nach einer Meldung im „Thüringenspiegel“ bezüglich des Sparkassenüberfalls in Eisenach ein Zeuge gemeldet habe. Dieser habe das Wohnmobil von Eisenach zuvor in der Frühlingsstraße gesehen.
Da sich die Ermittlungen bis hierher als „ausgesprochen mysteriös“ herausstellten, habe Illing darauf bestanden, dass am Brandort „außer Ziegelsteinen und Fensterrahmen alles gesichert“ werde. Gegen Beate Zschäpe habe er „gegen Mittag“ wegen Verdacht der schweren Brandstiftung einen Haftbefehl beantragt, dieser sei am gleichen Tag, dem 7. November, erlassen worden. Die Waffen- und Rohrbombenfunde hätten in seinen Augen nicht zum Haftbefehl gereicht, die Brandstiftung sei zu diesem Zeitpunkt der „sicherste Vorwurf“ gewesen. Über sein Handeln habe er dem Generalstaatsanwalt berichtet.
Vom 8. November habe Illing keine konkreten Erinnerungen, er habe hier aber keine Entscheidungen bezüglich der Ermittlungen getroffen, vor allem weil er sich um den Besuch einer dänischen Delegation habe kümmern müssen.
Mit Thüringer Kollegen: „Zwist um nichts“
Tags darauf habe sich Zschäpe gestellt. Illing sei von einem Staatsanwalt aus Meiningen angerufen worden, der ihm gesagt habe, dass er auch einen Haftbefehl beantragen wolle. Illing habe erwidert, das sei „schön, wir haben aber schon einen ausgestellt.“ Nachdem in dieser Frage „Übereinstimmung“ erzielt worden sei, wurde noch die Erkennungsdienstliche Behandlung von Zschäpe besprochen. Diese sollte in Jena stattfinden, so der Wunsch des Thüringer Kollegen. Illing habe zugestimmt: „OK, dann macht ihr das.“ Er habe bis heute keine schlüssige Erklärung, warum diese ED-Behandlung in Jena stattfinden sollte. Er habe veranlasst, dass Zschäpe in Jena durch die sächsische Polizei abgeholt und nach Zwickau zur Vernehmung gebracht werde.
Illing erklärt, dass er darauf bestanden habe, dass Zschäpe „zuerst“ zu „unserer Sache“, also dem Vorwurf der Brandstiftung, vernommen werde. Die Thüringer Polizisten der SOKO Capron habe er nicht dabeihaben wollen. Das habe zu Verärgerung bei den Thüringer Kollegen geführt. Es sei aber ein „Zwist um nichts“ gewesen, weil Zschäpe letztlich nicht ausgesagt habe, so Illing. Auf Nachfrage erläutert er, dass er die Anzahl der Vernehmer habe reduzieren wollen. „Das hat mit Aussagepsychologie zu tun“, so Illing. Er habe angenommen, dass die Aussagebereitschaft größer sei, je „intimer“ die Vernehmung sei. Dass eine Polizistin aus Baden-Württemberg bei der Vernehmung Zschäpes dabei war, habe er nicht gewußt und auch nicht festgelegt. Wer die Vernehmung durchführe, sei „in erster Linie“ innerdienstliche Entscheidung der Polizei. Illing erläutert, dass die Abstimmung zwischen den Ländern „nicht immer ganz einfach sei“. Allerdings ergebe sich die erste Zuständigkeit daraus, wer eine Haftsache habe.
Am 9. November wurde Zschäpe dem Ermittlungsrichter vorgeführt, sie habe dort nichts zur Sache gesagt. Anschließend sei der Vollzug des Haftbefehls beschlossen worden. Zschäpe sei in die JVA Chemnitz verlegt worden. Am gleichen Tag seien außerdem DVDs im Brandschutt aufgefunden worden. Zudem seien Funkzellenabfragen und Verbindungsdatenabfragen für verschiedene Internetseiten veranlasst worden.
Abgabe an den Generalbundesanwalt
Am 11. November habe Illing eine der tags zuvor gefundenen DVDs mit dem Kollegen Wiegner, dem Polizeipräsident Georgie und dem damaligen Landespolizeichef Merbitz in der PD Zwickau angeschaut. Sie habe das Bekenner-Video des NSU enthalten. Er sei „erschüttert“ gewesen, so Illing, „ich konnte mir so etwas nicht vorstellen.“ Hier habe er das erste Mal vom NSU gehört und auch erstmals den politischen Hintergrund registriert. Vorher habe er eine Brandstiftung gesehen, „wo weitere Straftaten drangehangen” hätten. Am selben Tag habe er mit dem Vertreter des Generalbundesanwalts Herrn Greger gesprochen. Zum Thema Verfahrensübernahme habe Illing „etwas naseweis“ gesagt: „Ihnen wird da nicht viel anderes übrig bleiben“. Er habe den Haftbefehl per Fax übermittelt, im Verlauf des Tages sei dann die Verfahrensübernahme entschieden worden. Am 12. November erfolgte dann gegen 13 Uhr die Übergabe der Akten an die Generalbundesanwaltschaft.
Die Zwickauer Raubüberfälle
Der Zeuge berichtet auf Nachfrage, dass später bekannt geworden sei, dass es Verbindungen zu Raubstraftaten gäbe, die in der Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Zwickau lagen. Illing benennt zwei Raubüberfälle in Zwickau, die in ihrem „Modus Operandi“ Raubstraftaten in Chemnitz geglichen hätten: zwei Täter überfallen mit Schusswaffen Banken, agieren sehr aggressiv und flüchten im Anschluss mit Fahrrädern. Aufgrund dieser Übereinstimmungen seien diese Verfahren an die Staatsanwaltschaft Chemnitz zur Bearbeitung abgegeben worden.
Ein dritter Überfall in Zwickau am 5. Oktober 2006 sei bei der Staatsanwaltschaft Zwickau verblieben, weil hier „kein unbedingter Zusammenhang“ zu den vorhergehenden Straftaten zu erkennen gewesensei. Dieses Verfahren sei Ende 2011 wieder aufgenommen worden, nachdem die Polizei mitgeteilt hatte, dass im Wohnmobil eine Waffe gefunden worden sei, die genau zu diesem Fall passe. Als Tatverdächtige galten nun Böhnhardt und Mundlos.
Fragwürdige Zuständigkeiten
Der Ausschuss befasst sich länger mit der Frage, ob der Fall tatsächlich von der zuständigen Stelle bearbeitet worden ist. Illing war als Leiter der Abteilung III der Staatsanwaltschaft in Zwickau für allgemeine Strafsachen zuständig. Für Branddelikte sei eine andere Abteilung zuständig, so der Zeuge, aber aufgrund der Waffenfunde sei nicht klar gewesen „wohin es geht.“ Die „diffuse Gemengelage” habe es auch nicht zu einem Staatsschutzfall gemacht, dafür wäre Abteilung I verantwortlich gewesen. Die politische Dimension sei ihm erst am Ende der Woche bei der Sichtung der Videos bewußt geworden. Die Verbindung nach Heilbronn zum Mord an Michèle Kiesewetter habe für Illing noch kein Staatsschutzdelikt begründet, das hänge schließlich vom „Motiv“ des Mordes ab. Dass mit den Namen der drei Verdächtigen auch ein rechter Hintergrund klar werden konnte, wiegelt Illing ab: „es ist so gelaufen, wie es ist.“ Er sehe auch „nicht unbedingt einen Mehrwert“, wenn das die Staatsschutzabteilung übernommen hätte. Seiner Einschätzung nach hätte diese nichts anders machen können.
Der zweite Zeuge: Uwe Wiegner
Der zweite Zeuge des Tages ist der Leitende Oberstaatsanwalt Uwe Wiegner, der heute als Leiter der „Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen“ (INES) tätig ist und 2011 die Staatsanwaltschaft Zwickau geführt hat. Dazwischen war er bereits “auf dem Wege der Abordnung” bei der Generalstaatsanwaltschaft tätig gewesen.
Der Zeuge erläutert zunächst umfassend und lange seinen Werdegang, den Aufbau der Staatsanwaltschaft Zwickau im Besonderen und die Tätigkeiten einer Staatsanwaltschaft im Allgemeinen. Im Anschluss kommt er zum Geschehen am 4. November 2011. Er habe zur Vorbereitung nochmal einen Vorgang bei der Generalstaatsanwaltschaft gelesen, außerdem habe er etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde mit Oberstaatsanwalt Illing dazu gesprochen. Ein weiteres Gespräch gab es mit dem früheren Präsidenten der Polizeidirektion Südwestsachsen und jetzigem Landespolizeipräsidenten Georgie.
Wiegner erklärt, dass er am 4. November 2011 aus den Medien von der Hausexplosion in Zwickau erfahren habe. Am 5. und 6. November sei er nicht mit den Geschehnissen an der Frühlingsstraße 26 befasst gewesen. Ihn sei nicht bekannt gewesen, dass Herr Illing schon tätig geworden ist. Illing habe das „von sich aus“ übernommen, erläutert Wiegner auf Nachfrage. Es sei das Recht eines Abteilungsleiters, sich „Sachen heranzuziehen“. Aus den Medien habe er zudem vom Raubüberfall in Eisenach und den beiden Toten gehört.
„In die Sache eingestiegen“
Am Montag, den 7. November, sei er dann „in die Sache eingestiegen“. Seine Aufgaben hätten sich vor allem auf die Verwaltungs- und Pressearbeit bezogen, während der Kollege Illing für die Kontakte zur Polizei zuständig gewesen sei. Oberstaatsanwalt Illing, zu dem Wiegner ein freundschaftliches Verhältnis pflege, habe ihm zunächst über den Sachstand berichtet. So habe er erfahren, dass der Brand durch Brandstiftung ausgelöst worden sei. Hinweise dafür waren ein aufgefundener Benzinkanister und Brandmittelspürhunde, die innerhalb der Wohnung mehrmals angeschlagen hätten. Wie schon der Zeuge Illing berichtet Wiegner von den Waffenfunden sowie den drei Bewohnern der Frühlingsstraße 26. Wiegner berichtet außerdem von einem Anwalt, der bereits am Wochenende die Vertretung des Mieters der Wohnung, Matthias Dienelt, angezeigt habe.
Die Verbindung zu Eisenach sei ebenfalls klar gewesen, bei den beiden Toten habe es sich um die zwei männlichen Bewohner der Wohnung gehandelt. Darüberhinaus gab es die Verbindung zum Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Es sei also nachvollziehbar gewesen, dass es sich bei „Susann Dienelt“ um Beate Zschäpe gehandelt habe. Im Zuge der Ermittlungen zum Wohnmobil sei man auf Susann und André Eminger aufmerksam geworden, für beide habe sich ebenfalls schon am Wochenende ein Anwalt gemeldet. Zunächst sei aber gegen Zschäpe ein Haftbefehl wegen schwerer Brandstiftung beantragt und dann auch erlassen worden. Außerdem sei eine Öffentlichkeitsfahndung nach ihr eingeleitet worden.
Viel Vertrauen in die Polizei
Die Ermittlungsarbeit habe bei der Polizeidirektion (PD) Südwestsachsen gelegen, die mit der PD Gotha kooperiert habe. Die Ermittlungen seien in der Ermittlungsgruppe „Frühling“ gebündelt worden. Es sei festgelegt worden, dass aus der Frühlingsstraße Dinge nur abtransportiert werden, wenn eine Beweissicherung erfolgt sei. Es sei „besondere Akribie“ nötig gewesen, so Wiegner. Nachgefragt, ob zu dieser Akribie auch eine Fotodokumentation von Beweisstücken gehört, entgegnet der Zeuge: „Auch das wird getan“. Auf eine weitere Nachfrage stellt er aber fest, dass er nicht sagen könne, wie akribisch in der Frühlingsstraße 26 gearbeitet wurde. Er selbst sei nie vor Ort gewesen. Er vertraue hier auch den Polizeibeamten: „Das sind erfahrene Kollegen, die machen auch Sachen ohne Rücksprache. Das geht auch gar nicht anders.“
„Unwahrscheinlicher Mediendruck“
Wiegner berichtet, dass bereits am Montag das Medieninteresse groß gewesen sei, man habe sich daher entschieden, am 7. November eine Pressemitteilung zu veröffentlichen. Das Gleiche sei in Heilbronn und Thüringen geschehen.
Am 8. November sei die Ermittlungsarbeit fortgesetzt worden. Man habe noch eine zweite Pressemitteilung veröffentlicht, die Angaben zu Beate Zschäpe enthielt, etwa die Aliasnamen unter denen sie aufgetreten war.
Einen Tag darauf hat sich Beate Zschäpe in Jena gestellt. Dass Zschäpe nach Sachsen überführt wurde, begründet Wiegner mit der Strafprozessordnung. Die sieht vor, dass die Festgenommene dem nächsten Richter vorgeführt werde oder demjenigen Ermittlungsrichter, der den Haftbefehl ausgestellt habe. Letztes sei aufgrund der geringen Distanz zwischen Jena und Zwickau geschehen. Zudem habe man ein Interesse gehabt, die Vernehmung zu führen, so der Zeuge.
Er spricht von einem „unwahrscheinlichen Mediendruck“, unter dem die Staatsanwaltschaft und die Ermittler gestanden hätten. Man habe deswegen eine Pressekonferenz am selben Tag anberaumt. Außerdem sei an dem Tag festgelegt worden, dass alle Waffen zum BKA weitergegeben werden. Das sei dann am 10. November geschehen.
Terroristische Vereinigung: Ende der Zwickauer Zuständigkeit
An diesem Tag habe Wiegner die PD Zwickau besucht, um tags zuvor gefundene Datenträger zu besichtigen. Gemeinsam mit Staatsanwalt Illing, Polizeipräsident Georgie, Landespolizeichef Merbitz und mehreren Beamten des BKA, „vielleicht drei“, habe man sich die Bekenner-DVD angeschaut. Hier sei Wiegner das erste Mal mit dem Begriff NSU konfrontiert worden. Zugleich habe der Verdacht im Raum gestanden, mit einer terroristischen Vereinigung zu tun zu haben.
Bereits im Vorfeld habe es telefonischen Kontakt zum Generalbundesanwalt gegeben. Am 11. November habe Oberstaatsanwalt Illing dann die Übernahme des Verfahrens mit der Generalbundesanwaltschaft besprochen. Einen Tag später sei bereits die Aktenübergabe erfolgt und damit habe die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Zwickau geendet. Der alte Haftbefehl sei aufgehoben und ein neuer wegen §129a StGB („Bildung terroristischer Vereinigungen“) erlassen worden. Am 14. November habe Wiegner der Generalstaatsanwalt über die Übernahme des Verfahrens Bericht erstattet.
„Ein Haufen Aufarbeitungsarbeit“
Geblieben sei nun „ein Haufen Aufarbeitungsarbeit“. So etwa das Verfahren wegen eines Sparkassenüberfalls am 5. Oktober 2006 in Zwickau, das nun wieder aufgenommen worden sei. Der Grund dafür: man habe die Tatwaffe im Wohnmobil in Eisenach gefunden. Dieses Verfahren sei am 25. November2011 an den Generalbundesanwalt übergeben worden. Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft hätten zudem die Verfahren zu den Banküberfällen geprüft. Weiterhin habe man mit einer Vielzahl an parlamentarischen Anfragen und Beratungen zu tun gehabt, so Wiegner. Später sei er selbst „kommissarisch“ zur Generalstaatsanwaltschaft versetzt worden. Dort sei er für die Zuarbeit zum NSU-Untersuchungsausschuss in der vergangenen Legislaturperiode zuständig gewesen. Wiegner erklärt, er habe etwa Berichte vorbereitet, die dann durch den Generalstaatsanwalt Fleischmann gegengezeichnet worden seien.
Wiegner wisse auch von kinderpornografischen Dateien auf einem Computer, der in der Frühlingsstraße 26 gefunden worden sei. Diese Information sei 2012 an die Staatsanwaltschaft Zwickau übergeben worden, die ein Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe geführt habe, das wiederumam 17. Dezember 2012 eingestellt worden sei. Das sei später als Beiakte an das OVG München geliefert worden. Das Verfahren habe er aber nicht selbst bearbeitet, so Wiegner. Es habe sich wohl um zwei oder drei Bilder „sehr schlechter Qualität“ gehandelt, auf denen es „schwierig“ sei, überhaupt etwas zu erkennen.
Löschmoratorium nur teilweise umgesetzt
Im November 2012 wurde, so berichtet der Zeuge, der automatische Löschlauf für die Akten der Staatsanwaltschaften angehalten. Das „beiße sich ein bisschen“ mit der Strafprozessordnung, erklärt Wiegner. Es sei sich dann „geeinigt“ worden, dass nur die Akten mit dem Bezug „Innerer Frieden – rechts“ und „Ausländerfeindlichkeit“ vorerst nicht gelöscht werden. Bei diesen sei das „Aussonderungsverfahren gestoppt“ worden. Bei allen anderen nicht, so auch nicht bei Akten die Raubüberfälle betreffen. Das sei nötig gewesen, weil „sonst die Archive überquellen“, so der Oberstaatsanwalt. Außerdem habe es auch unterschiedliche Rechtsauffassungen gegeben. Gefragt nach der Position des Generalstaatsanwalts bezüglich des Moratoriums sagt Wiegner: „Das Gesetz schreibt etwas anderes vor.“ Deswegen habe eine „Einigung“ erzielt werden müssen.
Hier gibt es auch eine kurze Intervention des Ausschussvorsitzenden Lars Rohwer. Er beanstandet, dass sich Fragen zum Löschmoratorium am Rande des Untersuchungsgegenstandes des Ausschusses bewegen würden. Die stellvertretende Ausschussvorsitzende Kerstin Köditz erwidert, dass dann wohl ein Blick in den Einsetzungsbeschluss hilfreich wäre. Der Einwand Rohwers bleibt letztlich folgenlos. Wiegner wird weiter zum Löschmoratorium befragt. Verstöße dagegen, seien ihm nicht bekannt. Nicht erklären kann er, wie etwa weitere Überfälle indentifiziert werden sollen, wenn Akten solcher Straftaten weiterhin gelöscht werden. Über das Löschmoratorium seien alle Leitenden Oberstaatsanwälte informiert worden, diese hätten dann “dem General” (d.i. Generalstaatsanwalt) über die Umsetzung berichtet. So sei sichergestellt, dass alle davon Kenntnis haben.
Gegen weitere Beschuldigte ermitteln: „Das dürften wir gar nicht“
Wiegner berichet auch, dass es als Reaktion auf den NSU-Komplex „Verbesserungen“ bei den Ermittlungsbehörden gegeben habe. So seien verschiedene Maßnahmen getroffen worden: eine Sonderprüfung der Akten, es seien Verfahren gegen Unterstützer beigezogen worden, innerhalb der Polizei seien „neue Dateien aufgemacht“ und das Operative Abwehrzentrum (OAZ) sei aus der Taufe gehoben worden. Wiegner wird gefragt, ob ausreichend Fälle in Sachsen auf Zusammenhänge zum NSU überprüft worden sind. Er antwortet, dass die Datenbank der StA Zwickau nach den seinerzeit bekannten (Alias-) Namen von Trio und Unterstützern überprüft worden sei. Auch habe man (bereits zugeordnete) Raubüberfälle auf mögliche Versäumnisse durchgesehen. Und weiter: „Was getan werden konnte, ist getan wurden.“
Weitere Ermittlungen gegen Unterstützer habe es aber nicht gegeben. „Das dürften wir gar nicht“, so Wiegner. Auch einen Abgleich mit dem Generalbundesanwalt habe es nicht gegeben, denn „der lässt sich sicherlich nicht, in die Karten schauen.“ In Sachsen seien bis zum Zeitpunkt der Abgabe des Verfahrens zumindest Holger Gerlach, sowie Susann, Maik und André Eminger überprüft worden.
Auf die Frage nach direkten Konsequenzen antwortet Wiegner, dass ihm „unmittelbare Konsequenzen in meiner Zeit in Zwickau“ nicht bekannt seien. Allgemein solle aber der Informationsfluss innerhalb der Staatsanwaltschaft verbessert werden, dazu gäbe es nun eine jährliche Konferenz der Staatsschutzdezernenten, diese fände unter Leitung von Oberstaatsanwalt Schär statt.